SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

An Weihnachten schenken wir uns nichts. Meine Familie und ich haben das jetzt beschlossen. Endlich vorbei mit dem Geschenke-Marathon. 
Jedes Jahr dieselben verzweifelten Anrufe: „Was wünscht du dir denn?" „Ich brauche doch nichts." „Aber, dann nur eine Kleinigkeit." „Ja, aber ich habe doch alles." So geht das immer hin und her und am Ende kaufe ich dann alles auf den letzten Drücker und das Ergebnis ist: Unzufriedene Gesichter, endlose Rechnungen, enttäuschte Gefühle - jetzt soll Schluss damit sein.
Aber so gut geht es mir mit dieser Entscheidung dann doch nicht. Einander nichts an Weihnachten schenken? Klar, ich will keine sinnlosen Geschenke ansammeln. Aber einander etwas schenken, das gehört doch einfach zum Feiern dazu. „Wer ein Herz voller Freude hat, der teilt auch ebenso freudig aus." Das habe ich irgendwo gelesen. Ich glaube, ich sollte einfach umdenken und mich fragen: Was brauchen wir wirklich? Was brauchst du? Was brauche ich? Was brauchen die Menschen, die in Not sind. Die Caritas-Tagesstätte für obdachlose Menschen braucht warme Socken und warme Unterwäsche für die, die auf der Straße übernachten. Die Wohnungsnothilfe sucht nach brauchbaren Möbeln und Geschirr, für alleinerziehende Mütter. Die Menschen im Altenheim brauchen Menschen, die sie besuchen. Die Kinder auf der Krankenstation brauchen Menschen, die ihnen zuhören und mit ihnen spielen. Meine Nachbarin wünscht sich jemanden, der für sie Zeit hat. Es gibt Menschen, die meine Liebe und Zuneigung brauchen. 
Diesen Advent möchte ich versuchen, meine Zeit sinnvoll einzuteilen und anderen diese Zeit weiterschenken. Vielleicht kann ich damit wenigstens ein Stück weit die Botschaft weiterschenken, die Gott uns an Weihnachten schenkt. Für mich lautet diese Botschaft: Liebe und Zuneigung. Gott kommt zu uns, seine Liebe ist Mensch geworden in Jesus Christus. Liebe kann ich weiterschenken. Für mich sind die Geschenke am überzeugendsten, bei denen ich die Liebe darin spüre. Geschenke, die von tief drinnen, die von Herzen kommen. Geschenke, die anderen ans Herz gehen. Ach ja, meine Familie hat dann doch eine ganz stimmige Lösung für die weihnachtliche Bescherung gefunden. Wir gehen gemeinsam essen. Wir schenken uns damit mehr Zeit füreinander. Zeit fürs Gespräch, für Begegnung, Zeit, die wir uns sonst das Jahr über viel zu selten schenken. Und ob ich für jeden dann doch noch eine Kleinigkeit mitnehme, dass überlege ich mir noch.

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