Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Es gibt vielerlei Weisen, im Leben Sinn zu suchen und zu finden:
Ein Weg ist, Nächstenliebe zu üben.
Nächstenliebe erschließt den Weg zu mir, zum anderen und zu Gott. Dabei geht es zunächst einmal nicht um meine unmittelbaren Bedürfnisse.
Da ist z.B. eine Frau, die hat ihr ganzes Leben dem Mann, den drei Kindern und dem Haushalt gewidmet. Als die Kinder nacheinander das Haus verlassen, ist sie untröstlich. Sie kann keinen Sinn mehr in ihrem Tun entdecken.
„Du hast doch noch deinen Mann“, sagt eine Freundin. Aber der geht ganz in seiner Arbeit auf. Und wenn sie ihm ihr Leid klagt, sagt er nur: „Sei doch froh. Jetzt hast du endlich Zeit für dich.“
Schließlich rät ihr ihre Ärtztin: „Sie brauchen eine neue Aufgabe. Sie umsorgen doch so gerne Menschen? Gehen Sie zu den grünen Damen, die helfen im Krankenhaus mit kleinen Diensten und Besorgungen.“
Die Frau wird hellhörig: Genau das ist es!
„Aber was hast du davon?“ fragt ihr Mann erstaunt als er von ihren Plänen erfährt. „Viele Kranke freuen sich, wenn jemand Zeit für sie hat. Und wenn sich jemand über mich freut, dann geht es mir gut.“
Die Nächstenliebe ist unsere Antwort auf die Liebe Gottes. Viele sind so voll davon, dass sie noch genug für andere übrig haben. Gut, wenn sie sich nicht davon abbringen lassen.
Denn das ist das Wunderbare an der Nächstenliebe: Wenn man jemandem etwas Gutes tu, geht man selten leer aus.
Eine ältere Schmerzpatientin, die seit Jahren keine schmerzfreie Minute mehr kennt, erzählt von einem beglückenden Erlebnis im Wartezimmer ihres Arztes:
Dort sitzt sie neben einer jungen, vollkommen niedergeschlagenen Frau.
Die junge Frau tut ihr leid und sie fängt ein Gespräch mit ihr an. Bald erfährt sie, warum die Frau so niedergeschlagen aussieht: Sie hat eben erfahren, dass sie HIV positiv ist.
Die ältere Frau tröstet sie nicht, hört ihr nur liebevoll und aufmerksam zu. Dabei vergisst sie vollkommen ihre eigenen Schmerzen. Nach mehr als einer Stunde stellt sie fest, dass sie 60 schmerzfreie Minuten geschenkt bekommen hat, ein Glücksgefühl, das sie nie mehr für möglich gehalten hatte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=953
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