SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Gerade heute am letzten Sonntag vor dem Advent steht der Tod mit seiner Macht vielen vor Augen. In den meisten evangelischen Gottesdiensten werden noch einmal die Namen derer verlesen, die in den letzten zwölf Monaten verstorben sind.
Auch das Mädchen wird dabei sein, dessen Vater in den Grabstein seiner Tochter meißeln ließ. „Der Tod hat keine Hände." Gerade mal siebzehn Jahre war sie alt geworden. Der Schmerz war groß über ihren frühen Tod.
Freunde haben den Vater gefragt: „Was soll das bedeuten: Der Tod hat keine Hände?" Er hat ihnen geantwortet: „Der Tod hat mir mein Kind genommen. Aber er kann es nicht festhalten und kann es mir nicht für immer wegnehmen. Ich werde es im Himmel bei Gott wiedersehen. Ich weiß: Seit Ostern hat der Tod keine Hände mehr."
Ich bewundere den Glauben dieses Vaters. Denn unsere Erfahrung ist ja zunächst einmal eine ganz andere: Der Tod nimmt uns einen lieben Menschen, mit dem wir unser Leben geteilt und dem wir vieles zu verdanken haben. Da wir spüren unsere eigene Hilflosigkeit und Ohnmacht.
Gerade auch heute am Totensonntag. Manche gehen auf den Friedhof an die Gräber ihrer Lieben, sprechen ein stilles Gebet, erinnern sich an die gemeinsame Zeit und an die Stunden des Abschieds, des Schmerzes und der Trauer. Für viele ist das ein schwerer Gang. Der Tod scheint so mächtig.
In meinem Kalender hat der Sonntag heute noch einen anderen Namen. Dort steht: „21. November, Ewigkeitssonntag". Das lenkt meinen Blick nicht nur zurück auf das, was uns genommen wurde. Der Ewigkeitssonntag richtet meinen Blick auch nach vorne auf das, was kommt, auf das, was über den Tod hinaus Bestand hat, auf die Ewigkeit.
Und diese Aussicht kann trösten. ... Vor einiger Zeit hatte ich einen Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion zu beerdigen. Da habe ich diese Erfahrung gemacht.
Ich bin auf den Friedhof gekommen. Schon von weitem habe ich die versammelte Gemeinde singen hören. Sie haben gesungen, was das Zeug hielt. Lieder vom Himmel, Lieder vom Trost in Not und Osterlieder von der Auferstehung Jesu.

Nachher beim Gang zum Grab wurde auch gesungen - den ganzen langen Weg. Und schließlich haben sie auch noch nach der Beerdigung am offenen Grab Lieder angestimmt. Lieder von der Hoffnung auf Gott.
Nicht, dass sie den Tod leicht genommen hätten. Nein. Da sind auch Tränen geflossen. Da wurde auch geklagt und geweint. Aber die Trauer war durchzogen und getragen von einer tiefen Hoffnung. Dass die Erde hier nicht alles ist. Dass der Tod nicht das Ende bedeutet. Auf der anderen Seite wartet Gott auf uns und nimmt uns in die Arme.
Nein, der Tod hat keine Hände. Er kann die Toten nicht für immer festhalten. Aber Gott hat starke Hände. Bei ihm sind wir Lebende und die Toten geborgen.

 

Teil II

Gott hat starke Hände. Bei ihm sind die Lebenden und die Toten geborgen.
Wie es da sein wird in der Ewigkeit Gottes? Ob ich mal einen Blick in den Himmel werfen kann schon jetzt? Nur ganz kurz wie durch ein Schlüsselloch einmal spitzeln?
Dem Seher Johannes wurde dieser Blick geschenkt. Er hat gesehen, was eigentlich kein Auge schauen kann. Im letzten Buch der Bibel - in der Offenbarung - hat er das festgehalten. Dort beschreibt er den Himmel, Gottes neue Welt:
Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. ... Vom Thron her hörte ich eine starke Stimme: »Jetzt wohnt Gott bei den Menschen! Er wird bei ihnen bleiben ... und alle ihre Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben und keine Traurigkeit, keine Klage und keine Quälerei mehr. Was einmal war, ist für immer vorbei«.
Was für ein Bild! Was für eine Zukunft wird hier beschrieben! Mit dem Tod ist nicht alles aus, sondern alles anders, alles neu. Eine Welt ohne Schmerzen. Eine Welt ohne Leid, ohne Tod.
Und Gott wohnt bei den Menschen ... nicht an den Rand gedrängt. Gott ist mitten unter ihnen. Ganz nah. Und er wird sie trösten, wie nur eine Mutter einen trösten kann.
Ein starkes Bild! Wie tröstlich ist es, wenn ich die Nähe eines geliebten Menschen spüre, wenn da jemand ist, der meine Tränen abwischt. So nahe wird Gott sein.
Mich trösten diese Worte von dem neuen Himmel und der neuen Erde, wenn ich an den Tod denke. Und sie machen mich gelassen, wenn ich an mein Leben denke.
Ich muss nämlich nicht alles aus diesem Leben rausholen. Ich muss nicht jeder Mode und jedem Trend hinterher rennen. Ich brauche keine Angst zu haben, das Beste zu verpassen. Denn ich weiß: Mein Leben ist viel mehr als die paar Jahre hier auf der Erde. Und ich bin überzeugt: Das Schönste kommt noch.
Wenn ich den Himmel glauben kann, kann ich - wenn es sein muss - einen lieben Menschen auch gehen lassen. Denn ich weiß: In Gottes Händen ist er gut aufgehoben.
Ich selbst brauche auch keine Angst vor dem Tod zu haben. Ich weiß zwar nicht, was kommt. Aber ich weiß: Auf der anderen Seite des Todes steht Gott. Und der wartet auf mich und wird mich in Empfang nehmen. Er wird seine Arme ausbreiten und sagen: „Du hast es geschafft. Jetzt ist Gutsein!"
Und schließlich muss ich auch nicht resignieren, wenn ich täglich in den Nachrichten von Gewalt und Ungerechtigkeiten höre. Ich kann darauf vertrauen: Am Ende wird das Gute siegen, nicht das Böse.
Und das motiviert mich, mich schon heute für das Leben stark zu machen. Und gegen all das anzugehen, was das Leben zerstören will.
Denn ich weiß ja: Gott ist stärker als der Tod. Ich glaube nicht an die Macht des Todes. Ich glaube an Gott, der mich aus dem Tode retten wird und mir den Himmel versprochen hat.

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