SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Manchmal möchte ich nicht daran erinnert werden. Aber die kirchlichen und weltlichen Feier- und Gedenktage im November, die sich zwischen Allerheiligen und Ewigkeitssonntag aneinanderreihen, weisen beharrlich darauf hin: Der Tod gehört zum Leben - der Tod der anderen genau wie unser eigener.
Nachdenken über den Tod, das ist wichtig; für jede und jeden persönlich, aber auch für unsere Gesellschaft, die das Thema gerne an den Rand drängt - das sagt mir mein Kopf, und mein Berufsethos als Theologin sowieso. Aber ich gebe zu: Mein Gefühl sagt trotzdem oft etwas anderes. Als Mutter und Tochter, als Ehefrau und gute Freundin - da möchte ich mir den Gedanken ans Sterben, den die Feiertage auf die Tagesordnung setzen, lieber vom Leib halten. Da ist es fast unmöglich, ruhig und getrost an den Tod zu denken - zumindest dann nicht, wenn es persönlich wird.
Obwohl, eine Ausnahme gibt es - fast jeden Abend, wenn ich meinen Sohn ins Bett bringe: „Der Mond ist aufgegangen" singe ich dann. Alle sieben Strophen, die bekannten am Anfang und auch die unbekannteren weiter hinten, in denen Matthias Claudius etwas von seinem Glauben und seiner Hoffnung erkennen lässt.
„Herr, lass dein Heil uns schauen, auf nichts Vergänglichs trauen, nicht Eitelkeit uns freun; lass uns einfältig werden und vor dir hier auf Erden wie Kinder fromm und fröhlich sein." Wenn ich so weit gekommen bin, dann verschwinden meist für einen kurzen Moment die ganzen Gedanken an das, was ich hätte erledigen müssen und was gleich noch zu tun ist. Dann bin ich einfach da.
Und wenn ich dann weitersinge:  „Wollst endlich sonder Grämen aus dieser Welt uns nehmen durch einen sanften Tod; und wenn du uns genommen, lass uns in Himmel kommen, du unser Herr und unser Gott.", dann fühlt sich das ganz richtig an. Dann scheint es mir einen Augenblick lang das Selbstverständlichste von der Welt, dass ich einmal sterben werde und dass ich andere loslassen muss. Für einen Moment verliert der Tod seinen Schrecken, weil das Vertrauen stärker wird als die Angst. Das Vertrauen, dass ich und wir alle in guten Händen sind - im Leben und im Sterben.
Warum das so ist, kann ich selbst nicht erklären. Aber ich bin froh, dass es solche Worte und Verse gibt, die diese Kraft haben. Und ich wünsche Ihnen, dass sie auch so ein Hoffnungswort haben oder finden, das sie durch die trüben Novembertage begleitet - und wann immer Sie es brauchen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9453
weiterlesen...