SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Trostpflaster. Ein Wort, das an Kinderzeiten erinnert. Ein zerschrammtes Knie. Tränen fließen. Die Mutter eilt mit einem Pflaster herbei. Die Wunde wird versorgt. Das Kind genießt die mütterliche Zuwendung. Das Pflaster verschließt den Schmerz des Körpers und der Seele. Ein Trostpflaster.
Im späteren Leben wird man noch manchen Schmerz erleiden, noch manche Wunde davontragen. Irgendwann ist es kein Schmerz mehr, über den man einfach ein Pflaster kleben könnte. Sondern eine bleibende Wunde. Ein  unwiderruflicher Abschied.
Wo bleibt da das Trostpflaster? „Weinen Sie ruhig, es ist keine Schande, sich nicht trösten zu lassen mit Krims und Krams ...", hat die Theologin Dorothee Sölle einmal geschrieben. Und damit gemeint: es ist furchtbar, wenn der Trost zu schnell kommt. Lass dir also ruhig Zeit für Tränen!
Denn Trost, der zu schnell kommt, der sich dem Schmerz nicht stellt, ist Vertröstung. Dicke Watte, unter der nichts heilen kann. Was tröstet, lässt sich auch nicht im Voraus sagen. Niemand ist Herr über den Trost.
Und doch, davon bin ich überzeugt, irgendwann stellt er sich ein. Nicht so einfach wie das Pflaster, das die Mutter ihrem Kind auf das verschrammte Knie klebt. Aber doch so, dass der Schmerz gestillt ist und die wunde Seele zur Ruhe kommt. Trost holt einen Menschen wieder zurück ins Leben.
Ich glaube, dass das Geheimnis des Trostes Anwesenheit ist. Die Anwesenheit und Nähe eines Menschen, der einfach nur da ist - ohne sich selbst einen Zweck oder eine Absicht zuzuschreiben. Die erfahrene Anwesenheit und Nähe Gottes, der in der Bibel Tröster genannt wird und dessen Name heißt: Ich bin da.
Ich glaube, dass sich der Schmerz eines Abschieds oder eines Verlustes nur so bewältigen lässt, dass die Anwesenheit von etwas erfahren wird, das diesem Verlust gewachsen ist. Nicht, dass die entstandene Lücke ausgefüllt oder überbrückt wird. Eher so, dass in sie eintritt, was heilsam ist.
In der Einsamkeit einer Gefängniszelle, getrennt von seiner Familie und in Erwartung seiner Hinrichtung hat Dietrich Bonhoeffer ein tröstliches Lied geschrieben: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost was kommen mag, Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag."
Das ist kein Trostpflaster. Aber ein Lied, das getragen ist vom Urvertrauen in ein unzerstörbares Leben. Und das Menschen immer dann singen, wenn sie sich dieses Trostes versichern wollen.

"Trostprojekt" in Karlsruhe:

In Gottesdiensten, Ausstellung und Vorträgen
können Sie dem Trost weiter nachspüren.
Mehr finden Sie hier

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9427
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