Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Nirgendwo sitzt man derzeit gepflegter und eleganter im Angesicht Gottes als in der neuen Mainzer Synagoge. - Vor zwei Monaten wurde sie eingeweiht. Und die Besucher kommen aus dem Stauen nicht heraus. Denn was sie zu sehen bekommen, ist atemberaubende Architektur. Mir hat es vor allem der eigentliche Gottesdienstraum angetan. Schlicht und edel zugleich. Mit schwarzen Bänken, auf denen man gut sitzen und gut nachdenken kann.
Und nachzudenken gibt es an diesem Ort viel. Die neue Mainzer Synagoge steht am gleichen Ort wie die alte, große Hauptsynagoge. 72 Jahre ist es heute her, dass die Behörden sie nieder brannten. Im ganzen Deutschen Reich wurde am 9. November 1938 Jagd auf Juden gemacht und wurden ihre Gotteshäuser angezündet und zerstört. Der logistische Aufwand war riesig und die Behörden gingen mit deutscher Gründlichkeit vor.
Wer heute in der neuen Synagoge Platz nimmt, der spürt sofort: Die Täter von damals haben es nicht geschafft. Ihr Aufwand und ihre Gründlichkeit waren Gott sei Dank umsonst. Es ist eine ganz besondere Geschichte, die dieser Ort erzählt. Etwas Neues ist entstanden. Nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern das Leben. Nicht das Zerstören, sondern das Aufbauen. Die neue Synagoge ist ein Zeichen dafür. Sie erzählt vom Einsatz vieler Menschen für dieses Haus. Sie erzählt von der Existenz einer jüdischen Gemeinde, die ein Gotteshaus braucht und bekommt. Und sie erzählt von der Treue Gottes, der sein Volk nicht vergessen hat. Damit die Geschichte dieser uralten jüdischen Gemeinde in Mainz weitergeht.
Nirgendwo sitzt man derzeit gepflegter und eleganter im Angesicht Gottes als in der neuen Mainzer Synagoge. Und wenn ich gut sitze, dann kann ich auch gut nachdenken. Über Gottes Treue zu seinen Kindern. Darüber, dass das Böse nicht die Oberhand behält. Schon in der Bibel steht, dass Sitzen und nachdenken miteinander zusammenhängen. Denn dort heißt es: Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.

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