SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Da weiß ein Mensch nicht mehr aus und ein. Er steht am Rand, fühlt sich allein und verlassen. Er ist blind geworden für das, was um ihn geschieht. Gefangen in seinem alten Lebensentwurf ist er ohne Hoffnung auf Veränderung. Vielleicht sieht er in seiner Not und Einsamkeit niemand, der ihn hört und der ihm hilft, sehend zu werden.
Gehört werden, das will auch Bartimäus.
Der Evangelist Markus erzählt seine Geschichte. Bartimäus ist blind, arm und fühlt sich wertlos, lebt am Rande der Gesellschaft, ohne Perspektive, abgeschnitten vom Leben. Dunkelheit umgibt ihn. Sein großer Wunsch: geheilt zu werden. Als Jesus in seiner Nähe ist, schreit er, will sich Gehör verschaffen. Aber die Menschen, die Jesus umlagern, wollen ihn abwimmeln. Jesus aber nimmt wahr, dass ein Mensch ihn braucht. Er geht nicht vorüber, hört diesen Schrei nach Leben.
Wie gut, wenn es Menschen in meinem Leben gibt, die mich nicht allein lassen, die Wesentliches sehen, Halt geben können und Wege finden, die mich tragen.
In den Evangelien wird mehrfach erzählt, dass Menschen sehend werden. Es sind Wundererzählungen, in denen es in einem viel tieferen Sinn um Blindsein und um Sehen können geht, als es etwa der Augenarzt meint, also auch um ein anderes Wunder. Jesus ist kein Augenarzt, sondern er will Menschen zu Heil und Leben verhelfen.
Und Bartimäus, der Mensch am Rande, findet Gehör. Er wirft seinen Mantel von sich, lässt zurück, was ihn einengt und eilt Jesus entgegen. Das heißt für mich: Er lässt sein altes Leben zurück, all das, was ihn bedrängt und bedrückt hat und steht vor Jesus wie er ist.
Und Jesus fragt: „Was willst du, das ich dir tun soll? Was ist deine Sehnsucht?"  „Rabbuni, dass ich sehend werde", sagt Bartimäus.
Es ist der Wunsch nach Leben, nach Dazugehören, nach Halt und Geborgenheit im Leben. Sehen können. Das ist mehr als das Augenlicht. Es meint: nicht mehr gefangen sein in Dunkelheit und Enge.
In der Begegnung mit Jesus werden dem Blinden die Augen geöffnet. Sein Glaube und seine Hoffnung haben ihm geholfen, sehend zu werden. Er lässt Altes hinter sich, nimmt anderes wahr und sieht seinen Lebensweg neu.
Die Geschichte von Bartimäus ist für mich eine Ermutigungsgeschichte: Sehen als eine Lebensform und Lebensweise zu begreifen, damit ich  mit anderen lebe wie jemand, der von Blindheit geheilt ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9368
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