SWR2 Wort zum Tag

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Mit großen Hoffnungen habe ich vor zwei Jahren die US-Präsidentschaftswahl verfolgt. Barack Obama - für mich und für so viele in Deutschland ein Hoffnungsträger. Vieles ist in diesen zwei Jahren vorangekommen: die atomare Abrüstung weltweit - und die medizinische Versorgung in den USA.
Jetzt ist Halbzeit seiner Regierungszeit - heute wird in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gewählt. Und es wird vermutet, dass Obamas Partei die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses verliert. Seine Politik wird scharf kritisiert. Auch aus religiösen Kreisen, von ultrakonservativen Christen.
Die betreiben gezielt eine Dämonisierung des Präsidenten.
Was über die Unterdrückung in der römischen Kaiserzeit in der Bibel steht - der Staat, das böse Tier aus dem Abgrund - das wird bisweilen eins zu eins auf den Präsidenten übertragen.
Auch Hitler-Vergleiche fehlen nicht.
Manchmal schäme ich mich richtig für meine Schwestern und Brüder im Glauben.
Wie kann man als Christ so Demokratie untauglich sein?
Wie Männer, die zueinander zärtlich sind, verdammen? Und gleich noch eine wissenschaftliche Theorie - die Evolutionstheorie - verbieten wollen?
Doch dann höre ich auffallend häufig in Gesprächen mit Älteren: „Typisch Amerika!", sei das. „Fastfood, unnötige Verpackungen, verlängerte Ladenöffnungszeiten...! Alles, d a s   haben wir von Amerika. Und der religiöse Fundamentalismus gehört auch dazu."
Spätestens dann muss ich meiner Scham über etliche US-Christen eine andere Wahrnehmung entgegen stellen - und mich daran erinnern: Alle 100 US-Senatoren sind ausnahmslos religiös verwurzelt - das sind bis heute 87 Christen und 13 Juden. Und dennoch sind die USA alles andere als ein Gottesstaat. Sie kennen eine klare Trennung, eine Selbstbeschränkung von Religion.
Und - wie ich neu gelernt habe - auch die besonders Frommen im Land verändern sich, engagieren sich zusehends für Umweltschutz, für Armutsbekämpfung, für die Überzeugung, dass für die Sicherung des Friedens Diplomatie wichtiger sei als militärische Stärke. Die „Neuen Evangelikalen", wie sie auch genannt werden, engagieren sich in beiden großen Parteien. (vgl. „Friedfertige Evangelikale" - Marcia Pally - welt.de; 19.10.2010) Das will ich nicht übersehen.
Und - ganz gleich wie die Wahlen ausgehen - vielleicht kann der Reformierte Christ Barack Obama auch mit dem Rückenwind gerade dieser Christen seine christlich motivierte Politik fortsetzen: für Arme eintreten, für Abrüstung und Frieden weltweit. In diesem Sinn wünsche ich heute besonders:  God bless America !

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9364
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