SWR3 Gedanken

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Seit über dreißig Jahren sind Hans und Inge verheiratet. Zwei Kinder haben sie großgezogen, gemeinsam ein Haus gebaut. Wenn man sie sieht, sind sie ein ganz unspektakuläres Paar. Sie halten nicht Händchen, sie küssen sich nicht in der Öffentlichkeit, sie wirken in keiner Weise verliebt.
Aber als sie mir gegenüber sitzen, fällt mir etwas auf. Ein kleines „H" an einer Kette um Inges Hals. Ein „H" für Hans. Und ich stelle mir vor, dass es ein ganz besonderer Moment war, seit dem diese Kette um Inges Hals hängt. Einer, von dem nur die beiden wissen.
Hans und Inge sind seit über dreißig Jahren verheiratet. Ein ganz unspektakuläres Paar. Aber als ich dieses „H" sehe begreife ich mehr von der Liebe als bei jedem Kuss in der Öffentlichkeit. Ich begreife etwas über die leisen Töne der Liebe.
Denn die Liebe ist oft leise. Sie bläht sich nicht auf, heißt es im so genannten „Hohelied der Liebe" in der Bibel. Sie heischt nicht nach Beachtung und Aufmerksamkeit. Sie will nicht ständig bestätigt oder gar bewiesen werden. Im wahrhaft glücklichen Fall ist sie einfach da. Leise, selbstverständlich, unspektakulär.
Seit fünf Jahren sind Ingo und Susanne ein Paar. Nachwuchs kündigt sich an. Deshalb soll geheiratet werden. Sie sitzen vor mir, erzählen mir von ihrer Liebe. Von den spektakulären Zeiten. Von den Schmetterlingen im Bauch. Die sich längst gelegt haben. „Jetzt ist das vorbei", sagt Ingo. Und Susanne ergänzt: „Wir sind längst wie ein altes Ehepaar." Und bei beiden schwingt leichtes Bedauern mit.
Deshalb erzähle ich ihnen von Hans und Inge. Von der leisen Liebe. Von der biblischen Liebe. Von der es in modernen Worten heißt: „Sie macht nicht große Worte, stellt sich nicht zur Schau. Sie hat immer noch Vertrauen, hat immer noch Hoffnung, hat immer noch Geduld. Diese Liebe kennt kein Ende." Bei Hans und Inge sehe ich solche Liebe. Ingo und Susanne und uns allen wünsche ich sie von Herzen.

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