SWR3 Gedanken

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Ich stelle mir vor wie er an seinem Werk gearbeitet hat: Konzentriert,   weltvergessen, in einer Art meditativem Zustand. Wie es die Ikonenmaler eben tun. Sie sehen sich nicht als Künstler, sondern als Werkzeuge Gottes. Und wenn sie malen, dann ist es für sie eine Art von Gebet.         Er malt eine Christusikone. Sie hat die Form eines Kreuzes, Christus bedeckt fast die ganze Kreuzesform. Mit weit ausgestreckten Armen, die Hilflosigkeit und Offenheit zugleich auszudrücken scheinen. Sein Blick geht ins Unendliche, spricht von Leid und Mitleid. Ein Blick vor dem alles sein darf, der für alles Verständnis hat, dessen Verständnis alles Verstehen übersteigt. Keiner weiß für wen der unbekannte Maler diese Ikone gemalt hat. Und er selbst wird es nie erfahren haben, welch große Wirkung sein Werk einmal haben sollte. Im zwölften Jahrhundert hing sie in einer kleinen verfallenen Kirche. Eines Tages kommt ein reicher Kaufmann zum Gebet in diese Ruine. Er weiß nicht wie es weitergehen soll mit ihm und seinem reichen Leben. Die Ikone vor Augen - waren es Minuten oder Stunden?  hört er Christus aus ihr sprechen: „ Franziskus, geh' hin und bau' mein Haus wieder auf, das wie du siehst schon ganz zerfallen ist." Franz von Assisi hat das wörtlich genommen. Und dieses kleine zerfallene Kirchlein San Damiano wieder aufgebaut. Erst später hat er verstanden, dass er die ganze Kirche renovieren sollte, die dekadent und unglaubwürdig geworden war. Durch seine radikale Armut und seine Geschwisterlichkeit mit Mensch, Tier und Natur hat Franziskus eine weltweite Bewegung ausgelöst. Sie ist zur größten christlichen Mönchsgemeinschaft geworden: die Franziskaner. Ausgelöst durch einen unbekannten Künstler, in einer halb zerfallenen Kirche. Ein wunderbares Beispiel von der Sorte kleines Werk mit großer Wirkung.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9329
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