SWR2 Wort zum Tag

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Eat Art heißt die Kunstausstellung im Stuttgarter Kunsthaus. Was bleibt vom gemeinsamen Essen, habe ich mich bei einem Kunstgegenstand gefragt, der einen Tisch mit leeren Gläsern und Pappbechern zeigt. 
Mitten in der Kunstausstellung „Eat Art", die „Kunst des Essens", in Stuttgart steht ein großer, langer Tisch. Der Tisch ist voll gestellt mit Trinkgefäßen: Glasflaschen, Kaffeetassen, Papierbecher, Dosen. Allesamt leer, ausgetrunken. Der Künstler will damit zeigen, alles ist vergänglich. Er hat die Becher und Tassen selbst gesammelt. Sie sind von berühmten Persönlichkeiten, die daraus getrunken haben. Auf die Trinkgefäße hat er ihre Namen geschrieben. Einer der Pappbecher ist zum Beispiel von Paul McCartney. Jedes Trinkgefäß erzählt auch eine Geschichte von den Menschen. "Es kann schon sein, dass nach der Ausstellung die eine oder andere Tasse fehlt", hat die junge Frau gesagt, die die Kunstgegenstände erklärt hat. "Denn die Menschen sehen in den Trinkgefäßen mehr als nur Müll, es sind Relikte von Persönlichkeiten, ja fast so etwas wie Heiligenreliquien."
Diese Trinkgläser erinnern also an Menschen, die daraus getrunken haben. Das, was sie hinterlassen haben, und sei es nur ein Pappbecher, wird wertvoll, weil es von einem ganz bestimmten Menschen ist.
Ich denke an die biblische Szene vom Letzten Abendmahl. Jesus lädt, bevor er zum Tode verurteilt wird, seine Freundinnen und Freunde ein und trinkt und isst mit ihnen. Dann sagt er zu ihnen: "Erinnert euch an mich, wenn ihr daraus trinkt und davon esst, dann bin ich mitten unter euch." (1 Kor 11, 26) Das sind Worte, die für mich die leeren Becher auf dem langen Tisch in der Ausstellung füllen. Wenn ich im Gottesdienst bin, und auf den Altar schaue, erinnere ich mich beim Abendmahl nicht nur an Jesus, sondern ich spüre auch seine Gegenwart. "Wenn ihr den Wein trinkt und das Brot esst, dann bin ich mitten unter euch."  Wenn das Brot in der Gemeinschaft geteilt wird und aus dem Kelch getrunken wird, dann ist Jesus da. Der Altar ist der Tisch, um dem sich Menschen im Glauben versammeln, um die Erinnerung an Jesus lebendig zu halten. Für Jesus war das Abendmahl mit seinen Freunden auch der Moment, ihnen seine Botschaft mitzugeben. Er hat damit ihre Becher mit Hoffnung und einem Versprechen gefüllt. Er sagt: "Ihr sollt in meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken" (Lukas 22, 30). Das ist die Hoffnung, an die ich glaube. Ich finde es ist wichtig, gemeinsam zu essen und zu trinken. Sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, sich zu freuen, auf Gelungenes anzustoßen, aber auch Abschiede zu feiern, Schweres loszulassen. Hier wird Gemeinschaft gestiftet, die bleibt.  Wenn ich an den Tisch mit den leeren Bechern und Gläsern in der Kunstausstellung denke, hoffe ich, dass diese Becher und Gläser von guten Worten begleitet waren. Es wäre schön, wenn die Menschen, die sich da getroffen und miteinander getrunken haben, eine Gemeinschaft gespürt haben. Hoffentlich gab es versöhnende Gesten, freundliche Blicke und hoffnungsvolle Wege, die nach dem Zusammentreffen gegangen werden konnten. Denn dann waren die Becher gefüllt, mit Liebe. Dann war Gott auch mit am Tisch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9324
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