SWR2 Wort zum Tag

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In Wien, der Hauptstadt von Österreich, wird soviel an Brot weggeworfen, wie in Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, gegessen wird. Das behauptet zumindest der Dokumentarfilm "We feed the world", das heißt übersetzt, „Wir füttern die Welt", ein Film über das Konsumverhalten der Menschen in westlichen Ländern.
Es gibt Studien, die belegen, dass 20 Prozent der Nahrungsmittel, die bei uns gekauft werden, im Müll landen. In Amerika sollen sogar bis zu 40 Prozent Lebensmittel weggeworfen werden. Die EU hat Richtlinien, die regeln, ab wann Lebensmittel vernichtet werden müssen. Da genügt eine leicht beschädigte Verpackung oder das erste Anzeichen von brauner Farbe auf der Banane, und sie werden entsorgt. Für mich wird deutlich, ich lebe in einer Konsum- und Wegwerfgesellschaft. Tagtäglich werden mehr Güter angehäuft, als gebraucht werden. Der Umgang mit der Schöpfung, ist nicht fair, sondern verschwenderisch und unachtsam. Es gibt so viele Menschen in Baden-Württemberg und in vielen Regionen der der Welt, die jeden Tag ums Überleben kämpfen. "Was esse ich morgen?" Bei der Caritas Wallfahrt gegen Armut und Ausgrenzung in Stuttgart habe ich Menschen kennen gelernt, die mir erzählt haben, dass sie mit 10 Euro die Woche auskommen müssen. Andere sammeln Flaschen, um sich wenigstens eine warme Mahlzeit am Tag in der Tagesstätte leisten zu können. Und dann gibt es die sogenannten „Mülltaucher", die ihr Essen in den Müllcontainern der Supermärkte suchen, nicht, um zu überleben, sondern um gegen die Verschwendung zu protestieren. Wenn ich nur mit dem Zeigefinger auf die Verschwendung zeige, mag das nicht helfen. Mir geht es darum, dass Menschen die Not anderer sehen, sie verstehen und begreifen, dass die Schöpfung ausgebeutet wird. Wie ich mit Essen umgehen kann, zeigt mir die Bibel auf. Jesus erzählt in vielen Gleichnissen, dass er gemeinsam mit vielen Menschen gegessen hat und das Essen geteilt hat. Und immer wurden alle satt. Teilen, das ist für mich wichtig, wenn es um die Frage nach dem fairen Umgang mit der Schöpfung geht. Die Schöpfung ist mir von Gott geschenkt und anvertraut. Und das heißt für mich, dass ich dankbar über die Gaben der Schöpfung sein darf. So ein Umdenken kann auch meinen Alltag ganz konkret verändern. Zum Beispiel frage ich mich dann, werfe ich das Brot, das einen Tag alt ist, einfach weg, esse ich es noch oder verarbeite ich es weiter? Tafelläden setzen das kreativ und vorbildhaft um: Sie sammeln Essen vom Vortag und verkaufen es zu günstigen Preisen. Wenn jeder so denken und handeln würde, dann würde vielleicht nur noch soviel eingekauft werden, wie auch tatsächlich gebraucht wird. Und dann würde auch die Lebensmittelindustrie darauf reagieren. Denn die Nachfrage regelt den Markt. In einem Gebet finde ich dies schön formuliert: 

"Gemeinsam sind wir stark, solange wir genug zu essen haben.
Gemeinsam können wir alles erreichen, solange wir genug zu trinken haben. Gemeinsam können wir freudig den Tag verbringen, solange wir die nötigen Vitamine zum Überleben haben. Gemeinsam hungern andere Menschen, solange wir nicht bereit sind zu teilen."
Philipp Fortner, Gundelsheim, Gesegnete Mahlzeit, Gebete und Rituale zum Essen, hrsg. Diözese

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9323
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