SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Positiv sollten Sie Ihren Tag beginnen." Vor fast 20 Jahren, fand ich das ein wenig skurril, dass man meinte, mich im Radio zu einem positiven Lebensgefühl animieren zu müssen. „Positiv sollten Sie Ihren Tag beginnen." Heute weiß ich, es kann nötig sein, dass mich jemand erinnert: ‚Ja, es gibt Gründe für einen positiven Einstieg in den Tag'. Weil ich von selbst manchmal nicht darauf komme.

hier können Sie den Beitrag nachhören

Ich vermute, so eine Erinnerung tut nicht nur mir gut. Darum, als kleine Starthilfe für heute, ein Gedicht von Hans Magnus Enzensberger.

„Vielen Dank für die Wolken," schreibt er,
Vielen Dank für das wohltemperierte Klavier..
Vielen Dank für mein sonderbares Gehirn
Und für allerhand andere verborgene Organe,
für die Luft und natürlich für den Bordeaux."

Herzlichen Dank dafür dass mir das Fahrzeug nicht ausgeht
Und die Begierde, und das Bedauern, das inständige Bedauern.
Vielen Dank für die vier Jahreszeiten, für die Zahl e und

für das Koffein und natürlich für die Erdbeeren auf dem Teller, gemalt von Chardin, ...

und damit ich es nicht vergesse,
für den Anfang und das Ende und die paar Minuten dazwischen inständigen Dank, meinetwegen für die Wühlmäuse im Garten auch."(Hans Magnus Enzensberger aus: „Kiosk".)

Das klingt wie der Dankpsalm eines säkularen Menschen. Vieles ist Enzensberger eingefallen, wofür er danken kann. Wach springt sein Blick hin und her zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Natur und Körper. Zwischen Geschenken der Kultur und der Technik und der eigenen Sinnlichkeit. Er benennt, was Ihnen und mir im Lauf eines Tages auch begegnen kann. Aber Enzensberger spricht es aus, was ich erlebe, was mich leben lässt. Was ich aber in der Regel nur unbewusst mitnehme, ohne dass ich einen Gedanken des Dankes daran verschwende.

Eine prima Anregung, die Augen schweifen zu lassen ins eigene Leben. Enzensberger ermutigt sogar zu der Größe, z.B. für die Wühlmäuse zu danken, also für das, was nicht nur meinem Ego nützt.
Eines allerdings fehlt bei Enzensberger. Einen Empfänger für sein Danke schön hat er nicht. Sein Gedicht heißt: „Empfänger unbekannt."
Aber es ist gut, einen zu haben, damit der Dank nicht ins Leere geht wie eine nicht adressierte Postkarte. Darum: Wenn Sie können, dann stimmen Sie mit mir ein in die Worte eines biblischen Dankes. Ein Mensch spricht sich aus vor dem göttlichen Empfänger, fühlt sich dankbar wie Enzensberger und auch verantwortlich:

„Danket dem HERRN; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. Wer kann die großen Taten des HERRN alle erzählen und sein Lob genug verkündigen? Wohl denen, die das Gebot halten und tun immerdar recht! (Ps 106)"

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9095
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