SWR2 Wort zum Tag

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„Die Kirchen müssen etwas sagen zu ‚Stuttgart 21'." Viele Menschen fordern in den letzten Wochen Kirchenvertreter zu einer öffentlichen Stellungnahme auf. „Warum schweigen die Kirchen zu Stuttgart 21." Die meisten, die schreiben, erwarten, Kirchen sollen sich öffentlich gegen das Großprojekt „Unterirdischer Bahnhof" und für einen Baustopp erklären.

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Ich finde richtig, dass die Kirchen den Aufforderungen zu einer eindeutigen Festlegung nicht folgen. Warum?

Christen sind doch auch Bürger, ebenso betroffen und berührt wie andere auch und sie werden doch wohl eine Meinung haben. Sicher haben viele eine. Gegen und für Stuttgart 21. Und ich weiß, mit Argumenten und Gründen. Viele sind auch unsicher, was richtig oder falsch ist. Was gut für die Gegenwart und vor allem für die Zukunft. Und kommen, als Christen, zu gegensätzlichen Schlüssen.

Darum finde ich, Pfarrer von der Kanzel und schon gar die Kirchen als Institution tun gut daran, keine der Positionen mit geistlicher Autorität auszustatten.

Als Bürger ihre Meinung sagen, auch öffentlich demonstrieren. Ja. Zu einer Stellungnahme von der Kanzel oder einer öffentlichen kirchlichen Erklärung bräuchte es aber mehr: Gewichtige theologische Gründe, die eine entschiedene Positionierung nahe legen und anders urteilende Menschen zu recht aus Glaubensgründen dazu überzeugen wollen.
Aber solche Gründe sehe ich nicht. Bei Stuttgart 21 muss man politische und sachliche Argumente abwägen und die oft starken Gefühle, die uns bewegen.

Kirchen schweigen, das heißt nicht, sie halten sich aus der politischen Auseinandersetzung heraus, sondern machen deutlich, wir können keine der Alternativen für christlich geboten erklären. Zumal das im schon begonnenen Wahlkampf auch eine bischöfliche Wahlempfehlung wäre. Und die sind hoffentlich Vergangenheit.

Ich hoffe aber sehr, dass dieses Schweigen Gespräch möglich macht. Dass Kirchen vielleicht ein Raum sein können, wo Gegner und Befürworter zum Streit der Argumente zusammen finden. Im Interesse des Zusammenlebens. Nur so lässt sich vielleicht noch eine Lösung für die festgefahrene Situation finden.

Deshalb habe ich noch eine Bitte: Wenn Sie Befürworter oder Gegner von Stuttgart 21 sind: Rechnen Sie damit, dass auch der anders Denkende es gut meint für die Stadt und die Region. Wenn man nur sich selbst als „gut" hält, wird der andere schnell zu einem „Verhetzten", „Verführten" oder „Boshaften". Christen wissen das aus ihrer leidvollen Geschichte. Mit dem redet man nicht, mit dem schweigt man nicht, den bekämpft man. Und das ich nicht christlich. Dazu können Kirchen wirklich nicht schweigen. 


https://www.kirche-im-swr.de/?m=9093
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