SWR4 Abendgedanken BW

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„So ein unmögliches Mädchen! Nie mehr kauf ich in dem Laden ein!" Erika ist richtig geladen. Sie war beim Einkaufen und hat sich offenbar geärgert.
Erwin schaut von der Zeitung auf. „Was ist mit dir los?"
„Ach", sagt sie, „ich hab doch diese Saftpresse gekauft, mit dem Hebel, so zum Runterdrücken, das Geschenk für deine Nichte zur Hochzeit, dieses teure Teil, das so schön aussieht, aber total unpraktisch ist. Weil der größte Teil von der Orange gar nicht ausgepresst wird, und das kann ja nicht der Sinn der Sache sein, also war ich in dem Geschäft und hab gefragt, ob es da noch einen anderen Einsatz gibt, einen größeren, aber die Verkäuferin war einfach unmöglich."
„Ja, hat sie dir keine Auskunft gegeben oder was", fragt Erwin.
„Ach, dieses junge Ding hat offenbar keine Ahnung von den Sachen, die sie da verkauft. War ganz kurz angebunden, hat ein bisschen im Katalog rumgeblättert, aber ohne genau hinzuschauen, und natürlich nichts gefunden. Und ich hab dann gefragt, ob andere Kunden sich schon beklagt hätten. Nein, hat sie gesagt, davon weiß sie nichts. Und dann hab ich gesagt, dass ich für so viel Geld etwas Besseres erwarte, und sie kichert bloß."
„Was hast du denn erwartet?", fragt Erwin.
„Ach, irgendwas halt. Dass sie sagt, dass es ihr leid tut oder dass sie die Kollegin fragt, ob die Bescheid weiß, irgendwas halt. Dass sie mich als Kundin mit meinem Ärger nicht einfach so stehen lässt."
Erika ist so sauer, dass sie daran denkt, sich zu beschweren. „So geht man mit mir als Kundin nicht um."
Jetzt wird Erwin aufmerksam. „Eine junge Verkäuferin sagst du, eine Auszubildende wahrscheinlich, die halt noch unsicher ist, und du willst dich beschweren? Das könnte ja deine Enkeltochter sein: stell dir doch mal vor, das wäre unsere Lena."
„Ach du liebe Zeit, ja, die Lena", sagt Erika, „die Lena kann genauso pampig und ungeschickt sein, das stimmt."
„Angenommen, das wär' die Lena - was würdest du zu der sagen? So dass sie es kapiert und etwas dabei lernt?"
Erika merkt, wie ihr ganzer schöner Ärger in sich zusammenfällt. Dafür spürt sie einen kleinen Zorn auf Erwin, der sie anscheinend mal wieder erziehen will.
Sie nimmt sich zusammen.
„Na ja, die Lena...: Wenn die pampig ist, dann aus Unsicherheit. Also wenn ich mir das bei der Lena vorstelle...? Ich als Kundin würde ihr vielleicht sagen, dass ich nicht zufrieden bin, aber so, dass ich ihr nicht die Schuld gebe an dem überteuerten, unpraktischen Zeug, das sie verkaufen muss."
Da hat die Kundin sich vielleicht vor allem über sich selber geärgert, weil sie so was Unpraktisches, Teures gekauft hat, will Erwin sagen, aber das lässt er lieber bleiben.

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