SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Er war mein bester Freund, als ich ein kleiner Junge war - und diese Freundschaft hat mich geprägt, und auch meinen Glauben an Gott.
Ich möchte von meinem Patenonkel erzählen. Es war das größte Glück für mich, wenn ich in den Ferien einige Tage in seinem Haus verbringen durfte, und meine Geschwister beneideten mich ohne Ende. Da gab es einen Fernseher - das war bei uns zuhause undenkbar. Es gab einen kleinen Swimming-Pool im Garten, für mich der Inbegriff des Luxus. Es gab einen offenen Kamin, an dem mindestens einmal pro Aufenthalt gegrillt wurde; und dazu gab es Fanta. Es war so, wie sich ein Bub von 10 Jahren das Paradies vorstellte. Meine ersten Griffe auf der Gitarre lernte ich bei ihm, der eigentlich Lehrer, jedoch ein begnadeter Musiker ist. Arbeit gab es auch, aber es war irgendwie kein Muss, sondern ein Vergnügen, etwa mit einem kleinen Traktor den großflächigen Rasen zu mähen.
Der Abschied von diesem Paradies fiel mir immer schwer, ich erinnere mich, dass ich mit den Tränen gekämpft habe. Aber auch hier gab es ein kleines Ritual, das mir half, mich über den Abschied hinwegzutrösten, ja sich sogar darauf zu freuen. In seiner Hand lag ein 5-DM Stück, und das wechselte beim Händedruck unauffällig den Besitzer. Ein Vermögen als Wegzehrung auf dem Weg in den kargen Alltag eines Kindes.
Ja, er hatte viel, aber ich durfte teilhaben, sein Haus stand immer offen. Übrigens nicht nur mir. Was ich im Zuge dieser Freundschaft lernte: Viele Menschen waren gern in diesem Haus, Kinder aus der ganzen Nachbarschaft, Erwachsene, die Rat und Hilfe suchten und immer erst einmal eingeladen wurden. Es war gar nicht so einfach, dass mein großer Freund beschloss, immer auch eines meiner Geschwister mit mir einzuladen und sie auf die gleiche Weise zu verwöhnen wie mich - inklusive Händedruck.
Das erste Lied, das ich bei ihm auf der Gitarre spielen lernte: Gottes Liebe ist wie die Sonne, sie ist immer und überall da: G-Dur-H7-e-moll. Dieses Lied verstand ich auf Anhieb, weil ich es unbewusst mit den schönen Erlebnissen in Verbindung brachte. So großzügig, so pfiffig, so musikalisch stellte ich mir Gott vor, und tue es immer noch. Sein Haus ist geöffnet, und ich darf bei ihm zu Gast sein, es gibt alles im Überfluss, und sogar die Arbeit macht Freunde.
Andere mag er genauso wie mich, ich weiß und ich lerne es.
Gott hat ein großes Haus und auch ein großes Herz.
Und oft sind es großzügige Menschen mit einem offenen Haus, bei denen man mit Gott Bekanntschaft macht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9059
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