SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Jeder soll doch glauben, was er will!" sagt meine Kollegin. Und sie erzählt mir, dass sie nicht immer so gedacht hat. Sie ist wie selbstverständlich mit dem christlichen Glauben groß geworden ist. Aber heute kann sie mit dem Glauben nichts mehr anfangen kann. Wie ihre Mutter auch. Ich will wissen, was sie dazu gebracht hat. „Meine Mutter", sagt sie, „ist aus der Kirche ausgetreten, weil sie die Doppelmoral nicht ausgehalten hat." Da hat der Pfarrer vor vielen Jahren einen Kronleuchter in der Kirche haben wollen. Ein Unsumme sollte der kosten. Aber der Pfarrer hat es geschafft. Hat Geld gesammelt, Spenden eingetrieben. Und als der Kronleuchter endlich in der Kirche hing, da hat der Priester über Armut gepredigt. Da ist der Mutter der Kragen geplatzt und sie ist ausgetreten.
„Jeder soll doch glauben, was er will!" sagt mir die Frau. Aber wenn ich ihre Geschichten hören, dann spüre ich: So einfach ist das nicht. Glaube hat mit Glaubwürdigkeit zu tun. Und wo ich diese Glaubwürdigkeit nicht finde, da kann sich Enttäuschung einstellen, vielleicht Trauer, oft aber auch Resignation und dann Wut. Für mich klingt da Heimatlosigkeit durch. Weil ich mit meinem Glauben in einer Kirche nicht mehr zu Hause bin, deshalb muss ich gehen. Muss meinen Glauben für mich leben, kann meinen Glauben nicht teilen.
Mir ist es anders gegangen. Ich hatte das Glück, Menschen kennen zu lernen, die glaubwürdig ihren Glauben lebten und leben. Da war zum Beispiel der Pater, Leiter eines Jugendbildungshauses, der mit uns Jugendlichen immer wieder diskutiert hat, der offen war für Fragen und Zweifel. Und der selbst mit seinen Fragen nicht hinter dem Berg gehalten hat. Heute versuche ich selbst, meinen Glauben glaubwürdig zu leben. Das ist nicht ganz einfach. Oft genug schaffe ich das nicht. Kann mich nicht versöhnen, obwohl das nach einem Streit eigentlich angezeigt ist. Möchte, dass das Geld weniger wichtig ist in meinem Leben. Und kann mich vom Blick auf das Geld nicht lösen. „Jeder soll doch glauben, was er will!" Das ist ein Satz von großer Weite. Aber auch eine Anfrage an jeden: Was will ich eigentlich glauben? Und: Lebe ich das dann auch? Glaube, das ist mir wichtig, braucht solche Glaubwürdigkeit. Braucht Menschen, die den Glauben praktisch machen. Dass ich wirklich und ernsthaft glauben kann, was ich glauben will.

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