SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Ein erstaunlich buntes Konzert-Publikum kam letzte Woche in der ausverkauften Berliner Philharmonie zusammen: in edlem Zwirn und Seide, im schwarzen Rollkragenpulli, als lässiger SWR3-Hörer in Jeans und als schriller Punk: alle lauschten sie zwei Stunden wie gebannt derselben Musik.
Sting singt zu den Klängen gezupfter Laute alte englische Songs, Songs von John Dowland, der vor 400 Jahren lebte.
Die einen mögen Renaissancemusik, kennen und schätzen sie – die anderen haben vielleicht noch nie was von John Dowland gehört und kommen wegen Sting. Vertrauen dem Instinkt und Genius ihres Musikers. wie er mit seiner rauchig gebrochenen Stimme singt. »The lowest trees have tops« - »Auch die kleinsten Bäume haben Kronen.«, ein wunderbares Lied. Es sind die berührenden Bilder. Sting sagt: „John Dowland war der erste Singer/Songwriter Englands.“ Popstars unter sich.
Dowland und Sting – 400 Jahren trennen die beiden. Aber die Musik verbindet sie. Wenn Sting dann noch sein »Fields of Gold« zur Laute spielt, sein Liebeslied mit der Geliebten in den Gerstenfeldern, als wäre es von Dowland, und dessen Bilder direkt aus dem Hohenlied der Bibel gesprungen sind, dann ist dieser beglückend verbindende Moment von Grenzüberschreitung da. Diese Musik verbindet ein unglaublich farbiges Publikum: Wann und wo in unserm Land kämen denn solch verschiedene Leute zusammen, um sich gemeinsam berühren zu lassen? Von der Trauer über verpasstes Leben, von der Klage gegen Ungerechtigkeit. Oder von Liebesliedern wie »Once againe«, das sich ebenso deutlich wie so unverschämt zum Liebes-Höhepunkt aufschwingt.
Musik macht möglich, wohin unsre Worte oft nicht reichen. Da brechen Leidenschaften auf, die uns Gott ins Herz gelegt hat. Musik lässt uns die üblichen Grenzen und Schranken überschreiten, und zusammenkommen – und staunen, wenn wir uns gegenseitig wahrnehmen: so bunt, so verschieden, so fremd – und so menschlich.
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