SWR2 Wort zum Tag

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Wallfahrten sind heute beliebter denn je. Die nach Santiago de Compostela im Nordosten von Spanien besonders. Ein weitverzeigtes Netz von Zugangswegen führt zu den großen und bekannten Wegstrecken im Süden Frankreichs über die Pyrenäen bis fast an die Nordwestspitze Spaniens.
Ein für viele bisher unbekannter, besonders reizvoller Zugangsweg führt im Südwesten unseres Landes von Hüfingen in der Baar durch den Schwarzwald nach Freiburg und von da durchs Markgräflerland bis Basel. Dieses Wegstück wurde erst im Juli dieses Jahres eröffnet und mit einem ökumenischen Gottesdienst bei der Jakobuskapelle in Himmelreich östlich von Freiburg eingeweiht. Hinweise auf einer alten französischen Karte hatten diesen Pilgerweg wiederentdecken lassen. Ein Förderverein sorgte für die Beschilderung der acht Etappen mit einer Länge von jeweils 16 bis 26 Kilometern. Inzwischen liegt eine Broschüre vor mit ausführlichen Wegbeschreibungen und mit vielen Angaben, die diesen Weg zu gehen leichter machen können.
Die neu entdeckte Freude am Unterwegssein, am Gehen und Pilgern, ist auch  Ausdruck für ein neues Verständnis von Leben und Glauben. Glaube wie ihn die Evangelien nahelegen, bedeutet nicht das bequeme Wohnen in einem großen Gebäude zeitloser Wahrheiten über Gott und die Welt. Glauben in den Erzählungen der Bibel ist vielmehr das Suchen und Gehen eines Weges unter Gottes Anruf. Was die Evangelien über Jesu Leben und Glauben erzählen, das kleiden sie in die Gestalt seines Weges, vom Elternhaus durch die Dörfer und Städte Galiläas bis hin nach Jerusalem. Unterwegs war Jesus nicht nur geographisch von einem Ort zum anderen, sondern, deutlich erkennbar, auch sozial, indem er sich die Richtung, die er einschlug, immer wieder neu vorgeben ließ von den Kranken, von den Rat suchenden, den Gebeugten und Gequälten, von all jenen, auf die das Prophetenwort zutrifft: „sie waren wie Schafe ohne Hirten". Jesu Unterwegssein war immer wieder ein Sich-ablenken-lassen, so wie der Samariter im Lukasevangelium sich ablenken ließ auf seinem Weg von Jerusalem nach Jericho. Wer die Evangelien liest, kann den Eindruck gewinnen, dass dies die eigentliche Weise von Jesu Unterwegssein war: sich ablenken lassen.
Vielleicht zieht es auch deshalb heute wieder viele zum Pilgern und Wandern, weil dabei unsere Aufmerksamkeit auf Dinge und Menschen gelenkt wird, die - auch Zuhause - abseits der gewohnten Wege liegen.           

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8956
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