SWR2 Wort zum Tag

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Die eigene Zukunft wird weniger, wenn man älter wird. Die Jungen haben noch viel zukünftige Zeit vor sich. Mit dem älter werden schrumpft sie gewissermaßen. Wie leben Sie mit dieser Erfahrung?
Es gibt meiner Beobachtung nach ältere und alte Menschen, denen dieser „Verlust" an persönlicher Zukunft Angst macht. Sie wollen es deshalb nicht wahrhaben, dass die Zukunft weniger wird und denken und planen in die Zukunft hinein, als wenn ihnen alle Zeit der Welt gehören würde. Und es fällt Ihnen schwer, Zukunftsentscheidungen an die Jüngeren abzugeben.
Ich glaube, es gehört aber zum Älter werden, dass man mit der knapper werdenden Zukunft anders umzugehen lernt als mit Angst.
Darum finde ich diejenigen alten Menschen wichtig für mich, die sich mit ihrer knapper werdenden Zukunft versöhnt haben. Wie gelingt ihnen das, frage ich mich?
Ich habe den Eindruck, solch eine versöhnte Haltung hat zwei Quellen.
Zum einen schaffen sie es anscheinend, gegenwärtig zu leben, den heutigen Tag zu schätzen. Vielleicht sogar mehr als in jüngeren Jahren. „Dies ist der Tag, den der Herr macht", steht in einem biblischen Psalm. Dieser Satz drückt dieses Interesse aus, „heute" zu leben. Heute dabei zu sein.
Zum anderen, kann man wohl versöhnter mit seiner weniger werdenden Zukunft leben, wenn man sehen kann: In den Nachfahren ist ein Stück meiner eigenen Zukunft aufbewahrt, auch wenn ich selbst diese nicht mehr erleben kann. Vielleicht auch nicht mehr erleben muss. In der Bibel gibt es eine anrührende Szene: Der alte Mose schaut von einem Berg in das Land der Zukunft seiner Nachfahren. Der Alte weiß, ich werde es nicht mehr betreten können. Aber er hat sehr viel dafür getan, dass sie eine Zukunft haben können. Als er da oben steht und hinüber schaut, ist er zufrieden und versöhnt mit seiner knappen Zukunft.
Ich vermute deshalb, man kann sich leichter mit dem älter werden versöhnen, wenn man ganz bewusst die Zukunft den Jüngeren übergibt, sie ihnen damit auch anvertraut. Auch die Verantwortung dafür.
Wir Älteren könnten stattdessen die Verantwortung für die Zukunftsinteressen der Jungen hinein nehmen in die eigene Lebensperspektive. ZB. innerhalb der Familie. Aber beiliebe nicht nur dort. Auch hinein in Wahlentscheidungen. Was ist für die Zukunft unserer Kinder und Enkel politisch wichtig? Welche Weichen sind heute zu stellen für deren Leben in 20 oder 50 Jahren? Eigentlich müssten diese Zukunftsfragen für uns ältere von Wahl zu Wahl wichtiger werden. Genauso wichtig wie meine eigenen Interessen. Wenn nicht sogar wichtiger.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8927
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