SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Die kriegen bestimmt was fürs Springen, dachte ich, als ich sie das erste Mal sah. Jahre ist es her. In Berlin war’s. Da ließen sich Menschen von einem Kran aus in die Tiefe fallen. Nur ein Gummiseil hielt sie an den Fußknöcheln fest und verhinderte wenige Meter über dem Boden, dass aus dem freien Fall ein Todessturz wurde – „Bungee-Jumping“.
Um es gleich zu sagen: Ich hab’s bis heute nicht gewagt, mich auf das kleine Podest zu stellen und mich fallen zu lassen. Aber neugierig gemacht hat es mich von Anfang an.
Was veranlasst jemanden zu einem so halsbrecherischen Vergnügen? Ich hab etliche Kan-didaten in meinem Freundeskreis befragt: Mit Mut hat es zu tun. Eine letzte Hemmschwel-le überspringen und sich todesmutig in die Tiefe stürzen. Die eigene Angst beherrschen. Den inneren Schweinehund überwinden.
Wer springt, erlebt etwas Einzigartiges. Zweifellos. Einzigartig das Gefühl beim absolut freien Fall. Einzigartig der Nervenkitzel hoch oben auf der Rampe. Einzigartig auch die Er-fahrung, der Schwerkraft entzogen zu sein, wenn das Gummiseil wieder nach oben schnellt. Einfach atemberaubend sei es, so durch die Luft zu wirbeln.
No risk, no fun?! „Bungee-Jumping“ ist ein Experiment, das mit Vertrauen zu tun hat. Wer springt, vertraut dem Seil. Er vertraut denen, die Höhe, Gewicht und Seilstärke passend berechnen. Und manche brauchen die Erfahrung, dass sie noch vertrauen können. Sie wol-len etwas wagen, wo doch vieles sicher und selbstverständlich geworden ist.
Wahrscheinlich habe ich den Bungee-Sprung bislang nicht riskiert, weil mir das Vertrauen in das Seil fällt, das mich auffangen soll. Wenn ich mich schon fallen lasse, dann muss ich wissen, dass es jemanden gibt, der mich auffängt. Nur dann kann ich Vertrauen wagen und springen – in die Arme dessen, dem ich vertraue oder auch in die Arme Gottes.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=89
weiterlesen...