SWR2 Wort zum Tag

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Jesus und die Frauen. Das ist quer durch alle Evangelien ein spannendes Thema.
Er verhält sich ihnen gegenüber anders, als es damals üblich war. Er nimmt sie wahr, lässt sich auf sie ein – und ist sogar bereit von ihnen zu lernen.
Im Markusevangelium wird dazu eine interessante Geschichte erzählt. Jesus hält sich im äußersten Norden von Galiläa auf. Eigentlich möchte er unentdeckt bleiben aber es spricht sich schnell herum, dass er in der Gegend ist. Da sucht ihn eine Frau auf, eine Syrophönizierin, also eine, die nicht zum Volk Israel gehört. Eine Fremde. „Sie kam sogleich herbei und fiel ihm zu Füßen“, heißt es im Markusevangelium. Die Frau setzt sich über alle Grenzen des Anstandes hinweg, weil sie nur noch eine Sorge umtreibt: Ihre Tochter ist von einem unreinen Geist besessen. Heute würde man sagen: sie war psychisch krank. Die Fremde fleht Jesus um Hilfe an für ihr krankes Kind. Und Jesus – er wehrt ab. „Laßt zuerst die Kinder satt werden, denn es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.“ (Markus, 7,24-30)
Unglaublich, diese brüske Antwort. Jesus fühlt sich nur für die „Kinder“, also das Volk Israel zuständig. Ihnen will er „Brot“ zu essen geben, das Brot der heilenden Nähe Gottes. Aber für die „Hunde“ also für die Heiden hat er nichts übrig. Eine unglaublich harte, abgrenzende Antwort. Ich weiß nicht, wie ich in dieser Situation reagiert hätte. Wahrscheinlich hätte ich mich gekränkt und beschämt zurückgezogen. Die Frau jedoch gibt nicht auf. Sie lässt sich auf den fremden Rabbi und sein Selbstverständnis ein. Und doch eröffnet ihre Antwort eine ganz neue Perspektive. „Du hast Recht, Herr“, antwortet sie, “aber auch für die Hunde unter dem Tisch fällt etwas von dem Brot ab, das die Kinder essen..“
Wo Jesus nur das Trennende wahrgenommen hat, sieht sie die Zusammengehörigkeit. In ihrer mütterlichen Sorge für ihr Kind durchbricht sie die Grenzen der Fremdheit. Und Jesus sagt zu der hartnäckigen Bittstellerin: „Weil du das gesagt hast, sage ich dir, gehe nach Hause, der Dämon hat deine Tochter verlassen.“
In dieser Episode verdichten sich die Erfahrungen, die Jesus mit den Menschen gemacht hat, die eigentlich nicht zum auserwählten Volk Gottes gehörten: mit den unheilbar Kranken, den Sünderinnen und den Ausgestoßenen, ja sogar mit den Heiden. Jesus hat durch die Begegnung mit ihnen nach und nach das wahre Ausmaß seiner Sendung begriffen: Er ist zu allen gesandt, vor allem zu den Notleidenden. Gott, den er seinen Vater im Himmel nennt, ist der Gott aller Menschen.
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