SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Zwischen einer gepflückten Blume und der geschenkten/ das unausdrückbare Nichts" . Das ist ein Gedicht von Guiseppe Ungaretti. „Eterno" heißt sein Titel, „Ewig", für immer. Es kreist um das Wunder des Schenkens - nicht zu verdienen, nicht zu leisten, nicht zu erzwingen, nicht einzufordern. Einfach geschenkt. Und im Grunde ist es nicht zu fassen, dass mir jemand wirklich etwas schenkt - ohne Hintergedanken, ohne Nachforderungen, einfach so. Es fehlen einem die Worte, denn in jedem wirklichen Geschenk geht es um Freiheit und Liebe. Selbst ein so deftiges Sprichwort wie „einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul" erzählt noch davon. Es ist deshalb eine große Kunst, sich etwas wirklich schenken zu lassen , große Kunst dankbar zu sein und dies auch zu spüren und zu zeigen. Geschenke sind absolut nicht selbstverständlich, im Geben nicht und im Annehmen nicht.
In der Tat: ich kann mir Rosen kaufen, Bücher oder Pralinen - aber wenn ich sie geschenkt bekomme: Welten liegen dazwischen.
„Du bist ein Geschenk für mich", sagen Liebende. Auf Geburtsanzeigen steht es vom erwünschten Kind, in der Freude junger Eltern ist es lebendig. Immer ist es dieses „unausdrückbare Nichts", es fehlen einem die Worte, es haut einen um, es macht einen überglücklich. So reden Christen nicht zuletzt von Jesus: er ist für sie das Gottesgeschenk schlechthin, in ihm macht Gott sich selbst zum Geschenk. Unverdient, nicht herzustellen, nicht zu leisten, einfach so. In diesem Jesus hat Gott den Menschen alles gegeben, was er geben kann, sich selbst: er ist der Geber und die Gabe. So lebensnah und fremd ist er wie dieser Jesus von Nazareth, in ihm begegnet Gott als der Gebende und die Gabe. In ihm bittet er darum, dass der Mensch sich beschenken lässt und diese Gabe annimmt.
Das nannte man früher Gnade, ein missverständliches Wort, wenn man Begnadigung mithört oder Herablassung spürt. Nein, gemeint ist das Geheimnis des Schenkens. Wie viel ärmer wäre die Welt, wenn es dieses Gottesgeschenk nicht gäbe und solche nicht, die es empfangen und dann weitergeben.
Verschenke ich Blumen beim Besuch am Wochenende, dann ist die Antwort absehbar: „Och, das war doch nicht nötig", sagt die Gastgeberin. Und sie hat recht: Geschenke sind nicht nötig, aber ohne sie wären wir arme Schlucker.

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