SWR2 Wort zum Tag

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Schon wieder ist eine evangelische Bischöfin zurückgetreten. Innerhalb eines halben Jahres schon die zweite. Zuerst Margot Käßmann nach der Alkoholfahrt, und jetzt Maria Jepsen.
Bei den Begründungen für die Rücktritte spielt immer wieder das Stichwort „Glaubwürdigkeit" eine wichtige Rolle. „Meine Glaubwürdigkeit wird angezweifelt", sagte Frau Jepsen „und daher sehe ich mich nicht mehr in der Lage, die frohe Botschaft so weiter zu sagen, ...wie ich es versprochen habe.".
Mich machen die Rücktritte der beiden Bischöfinnen traurig. Je länger ich über sie nachdenke, umso problematischer finde ich sie auch. Vor allem das Stichwort von der „persönlichen Glaubwürdigkeit" als Begründung. Zugespitzt gesagt, empfinde ich so etwas wie eine „Tyrannei der Glaubwürdigkeit."
Ich fürchte sie ist inzwischen als Prüfkriterium für Amtsträger maßlos überhöht und überschätzt. Sowohl von Amtsträgern selbst, als auch von außen, wenn fehlerhafte Menschen, und das sind Amtsträger nun mal auch, unter Druck gesetzt werden.
Amtsträger sind keine fehlerlosen Heiligen. Schon gar nicht evangelische. Und sie müssen es auch nicht sein. Die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft hängt nicht ab von der Fehlerlosigkeit derer, die sie bezeugen. Der Kern dieser Botschaft ist doch, dass Gott sich immer wieder uns Menschen zuwendet, gnädig und liebevoll. Wie ein guter Arzt seinen Patienten. Und zwar nicht, weil wir von Natur aus so rechtschaffen sind, sondern weil wir fehlerhaft sind und Sünder und uns im Leben verlaufen und verfehlen.
Wer diese Botschaft bezeugt, dem gilt sie doch zuallererst selbst. Und der braucht sie zuallererst selbst. Und vielleicht kann man sie glaubwürdiger bezeugen, wenn man deutlich macht wie sehr man diese Botschaft vom menschenfreundlichen und sündergnädigen Gott selbst braucht. Jesus hat in der Bibel nicht die Angesehenen, Fehlerfreien und Rechtschaffenen als seine Nachfolger berufen. Petrus hat ihn verleugnet. Er war aufbrausend und in der Führung der jungen Christenheit nicht immer klar und geradlinig. Aber er konnte Fehler einsehen und hat sie transparent gemacht und Irrtümer begradigt. Zurückgetreten ist er deswegen nicht. Und gefordert hat es auch keiner. Verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich gibt es Fehlverhalten, das einen Rücktritt nötig macht. Aber „persönliche Glaubwürdigkeit" scheint mir als Kriterium zu vage und nicht menschengemäß.
Mir ist bei Amtsträgern viel wichtiger, wie sie mit Fehlern umgehen. Mit eigenen und fremden. Transparent und offen und ob es ihnen gelingt, einen neuen Anfang zu finden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8747
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