SWR2 Wort zum Tag

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Ich habe das Gefühl, ich kann nicht mehr so gut hoffen wie früher. Nicht mehr so groß. Die Hoffnungen, die mir heute Mut machen, sind kleiner, ich hoffe auch mehr in die Nähe. Für Menschen, die ich kenne. In der 70er und 80er Jahren, da haben Hoffnungen weit hinaus gegriffen. Wie viele andere habe ich gehofft, dass die Welt im Ganzen besser werden möge. Das „Prinzip Hoffnung" oder die „Theologie der Hoffnung" haben das Lebensgefühl erwärmt und ermutigt, sich einzusetzen. Hunger zu überwinden. Frieden und Gerechtigkeit in der Welt zu befördern. Freiheit zu erkämpfen für Männer und Frauen überall. Diktaturen zu überwinden. Diese großen europäischen Hoffnungen und Utopien der Moderne scheinen ermüdet an der Realität. Und ohne die großen Ziele sind auch die Hoffnungen kleiner geworden. Heute ist es schon eine Hoffnung, dass die Katastrophe im Golf von Mexiko wenigstens auf Dauer gestoppt wird.
Aber muss das so sein, dass nach dem Verlust der hehren Ziele auch die Hoffnung selbst nur noch klein sein kann? Viele schlechte Nachrichten zehren die Kraft auf, die man zum Hoffen braucht. Aber ich finde, das dürfen wir Christen nicht zulassen. Ich habe nach gelesen bei Paulus, was er über die Hoffnung schreibt. Den frühen Christen war die Hoffnung auf die nahe Wiederkunft Christi ermüdet. Und da schreibt Paulus. Das ist kein Grund das Hoffen überhaupt aufzugeben. Er ermutigt zu hoffen, auch ohne konkrete Bilder.
Wir sind gerettet, schreibt er, doch auf Hoffnung hin. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld. Und dazu hilft der Geist unsrer Schwachheit auf. (Röm 8,24ff)
Ein amerikanischer Philosoph hat das eine „radikale Hoffnung" genannt. Paulus sieht keine konkrete Vision vor sich, auf die er zustreben könnte. Trotzdem wurzelt er ganz tief in Hoffnung. Hoffnung auf den unsichtbaren Gott. Ihm traut Paulus zu, dass er die Welt als Ganzes vollenden wird. Das lässt ihn auf das Große geduldig warten und zugleich jeden Tag aktiv leben.
Diese Haltung ist beispielhaft: Wenn die großen Visionen der Moderne verblasst sind, heißt das doch nicht, dass es keine gute Zukunft gibt für unsere Welt. Diese Zukunft ist unvorhersehbar und offen. Aber es gibt sie. Das ist Grund, radikal zu hoffen. Der unsichtbare Gott steht für seine Welt ein. „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf" schreibt Paulus auch. Dieser Geist beflügelt auch die praktische alltägliche Vernunft. Wenn ich so hoffe, das ermutigt zu tun, was nachhaltig ist und notwendig.

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