SWR2 Wort zum Tag

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Eine aufregende Ausstellung ist vor kurzem im Burda-Museum in Baden-Baden zu Ende gegangen. Sie zeigte eine Reihe von Bibel-Bildern namhafter Maler der Kunstgeschichte. Der Wiener Künstler Arnulf Rainer hatte sie bunt übermalt, manchmal mit Bleistift durchgestrichen, teilweise geradezu ausgelöscht.
Ich bin mit gemischten Gefühlen in diese Ausstellung gegangen. Ein merkwürdiges Unterfangen, dachte ich, ist das nicht allzu simpel, das Werk anderer einfach nur zu überpinseln?
Die Bilder haben mich dann doch fasziniert: wie es dem modernen Maler gelingt, die alten Bilder durch wenige zeichnerische Akzente neu zum Sprechen zu bringen. Ich merkte, wie aus der Irritation eine neue Auseinandersetzung entstand.
Von Arnulf Rainer las ich dann später über die Absicht seiner Malerei. „Mit meinen Übermalungen suche ich den Bildern das zurückzugeben, was sie verloren haben – ihr Geheimnis“ schrieb er.
Malerei versteht Rainer als Ersatz für die mangelnde und verloren gegangene me-taphysische Bindung. Die Bilder sind für ihn lediglich „Schaum, Hefe, Asche“. Sie seien der unmögliche Versuch, „durch Reden statt Schweigen verführen zu wollen“. Möge jeder wissen“, so der Künstler, „es sind die Spuren, nicht wir selbst.“
Das Kunstwerk schaffen und es gleichzeitig widerrufen, um dem Geheimnis Raum zu lassen. Von Gott reden und zugleich wissen, dass alle Rede nur menschliches Gerede ist – sollte das in der Tat nicht aller künstlerischen Anstrengung wert sein?
Eine uralte biblische Tradition wird mit solchen Gedanken berührt: das Bilderverbot aus dem Alten Testament. Die Erinnerung daran, dass wir uns davor hüten müssen zu meinen, durch Bilder dem Geheimnis eines anderen Menschen oder gar dem Geheimnis Gottes näher kommen zu können.
Als Mose in der Wüste aus dem brennenden Dornbusch die Stimme Gottes ver-nimmt und er nach dem Namen dessen fragt, der sich da hören lässt, erhält er die-se schlichte Antwort: Ich werde sein, der ich sein werde.
Gott selbst streicht also alle Bilder und Vorstellungen durch, die wir uns von ihm und seinen Geschöpfen machen. Er wird uns immer wieder neu, anders, herausfor-dernd begegnen. Und auch wir selbst sind und bleiben letztlich sein nie ganz zu entzifferndes Geheimnis.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=867
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