SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Das Vogelgezwitscher am Morgen, das hellere Licht, die weichere Luft. Mir fällt in diesen Tagen das Frühlingsgedicht Ludwig Uhlands ein: die linden Lüfte sind er-wacht, sie säuseln und weben Tag und Nacht.
Das Gedicht besingt aber nicht nur den nahenden Frühling. Es schwingt in ihm eine unglaubliche Zuversicht mit. Sie springt über vom Äußeren ins Innere, überträgt sich von dem, was sich an der Natur beobachten lässt in die eigene seelische Ver-fassung.
Nun armes Herze, sei nicht bang! heißt es. Und noch einmal: Nun armes Herz, ver-giss der Qual! Aber woher diese Zuversicht? Die Antwort liegt in dem Refrain: Nun muss sich alles wenden. Jetzt, wo es Frühling wird!
Wer so spricht, denke ich, weiß mehr, als er sieht. Kein Wunder, dass die Verse Uhlands den bemerkenswerten Titel tragen: Frühlingsglaube. Denn dass sich alles, alles wenden kann, dass ist mehr als reine Naturbeobachtung. Die allein könnte nicht so hoffnungsvoll reden.
Nur der Glaube, der Frühlingsglaube, geht’s ins Grenzenlose. Er nimmt den Früh-ling als den Vorschein einer neuen Sicht des Lebens, als Ankunft eines Wandels und einer Verwandlung, die den verzagten Herzen ihre Angst und den dunklen Tä-lern, in die man geraten kann, ihre Schrecken nimmt.
Nein, das ist wirklich keine Beschreibung, die sich an den Fakten orientiert. Wir reden von Klimakatastrophe. Wir erleben – zumindest in den Nachrichten – Terror und Blutvergießen. Ludwig Uhland aber dichtet: Die Welt wird schöner mit jedem Tag.
Mich erinnert diese Zeile an einen Vers Martin Luthers. An einen seiner Weih-nachtschoräle, wo es heißt: „Das ewig Licht geht da herein, gibt der Welt einen neuen Schein“. Auch da erscheint das vorläufige Leben im Licht einer endgültigen Erleuchtung. Es werde Licht, so wie es am Anfang war, so soll es auch am Ende sein – und dann ein für allemal.
Das weiß allein der Frühlingsglaube. Sein Credo sucht sich seine Hoffnungszeichen in der aufwachenden Natur. Er bewältigt die Welt so, dass ihm das sichtbare Blü-hen und Knospen, Zwitschern und Singen zum Anlass für das dahinter liegende unsichtbare Geheimnis der Schöpfung wird.
Im Frühling blüht in der Welt auf, was größer ist als diese Welt. Und das lässt hof-fen für diese Welt. Dass sich alles wenden wird. Dass die Unversöhnlichen einander die Hand reichen, dass die Gebeugten sich aufrichten, dass die Rastlosen Ruhe fin-den.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=866
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