Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Zwei ineinander verschlungene Hände. Dieses Bild geht mir nicht aus dem Kopf. Es waren keine frisch Verliebten. Es war ein älteres Ehepaar um die 70. Die ganze Zeit über hielten sie einander die Hand.
Der Mann hatte seine Frau im Rollstuhl in die Kirche geschoben. Am Ende der Bank saß er ganz dicht neben ihr. Sie hielt seine Hand, und er umfasste ihre Hand, den ganzen Gottesdienst lang. Bald sah ich auch, warum. Der Frau ging es nicht gut. An ihrem Gesicht war abzulesen, dass sie starke Schmerzen hatte. Wer weiß, was sie aushalten musste. Von Zeit zu Zeit kniff sie schmerzverzerrt die Augen und den Mund zu. Dann drückte sie die Hand ihres Mannes umso fester. Je mehr sie ihn spürte, desto besser konnte sie sich wieder ein wenig entspannen. Ihr Mann saß da, in sich gekehrt, und schien ganz bei ihr zu sein. Alles, was er für seine Frau empfand, kam in seiner Hand zum Ausdruck: seine Liebe, sein Mitgefühl, seine Geduld. So konnte seine Frau spüren, dass er bei ihr ist, so gab er ihr in ihrem Leid Halt und Kraft, so konnte sie ihre Schmerzen besser durchstehen.
Zwei Hände, ineinander geschmiegt, eine Brücke der Liebe. Mir kamen zwei andere Hände in den Sinn: Die „Betenden Hände", das bekannte Gemälde von Albrecht Dürer. Waren nicht auch die ineinander verschlungenen Hände des alten Ehepaares „betende Hände"? Vor Jahren, bei ihrer Trauung, haben sie auch ihre Hände ineinander gelegt. Damals hatten sie einander vor Gott Liebe und Treue versprochen, auch in Krankheit und Alter. Jetzt lösten sie das ein, und dafür war es ein sprechendes Zeichen, wie sie einander die Hand hielten. Wenn sie in den Gottesdienst gekommen sind, dann sicherlich auch, um Gott um seine Hilfe und Kraft zu bitten, und das wirklich „händeringend". Ihre fest gedrückten Hände sind für mich auch ein Zeichen ihrer Hoffnung auf Gott. Und wenn der Ehemann seiner Frau mit seiner zärtlichen Hand Halt und Kraft gibt, dann ist er damit ein Werkzeug Gottes: Er lässt seine Frau durch seine Nähe spüren, dass Gott ihr nahe ist und dass sie in seiner Hand geborgen ist.
So habe ich miterlebt, was es bedeutet, dass die Ehe ein Sakrament ist, dass die menschliche Liebe von der Liebe Gottes erfüllt wird. Ganz konkret, ganz handgreiflich.

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