Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Die schönste Zeit meiner Kindheit dauerte immer eine gute halbe Stunde und lag in den langen Ferien. Mittags nach dem Essen rief mein Vater immer: „Bau schon Mal auf!".
Ich in Papas Büro, ans hohe Regal, den alten verzierten Holzkasten geholt. Auf den Tisch im Wohnzimmer gestellt. Und vorsichtig geöffnet.
Da lagen sie drin, die Bauern und Könige, die Läufer, Türme und Springer. Meine schönste Zeit konnte beginnen: Papa spielt mit mir Schach.
Und ich hab´ ihn die ganze Zeit nur für mich. Ich war rundum glücklich. Damals ging es eigentlich weniger ums Schachspielen.
Es ging darum, dass mein Papa endlich Zeit hatte. Sonst gab es das selten. Er hatte immer viel zu tun. Die vielen Termine mit Kunden gingen vor. Und wenn die vorbei waren, hat er am Haus gebaut. Und am Abend lagen die Eltern erschöpft auf der Couch.
Heute ist der erste schulfreie Tag. Sechs Wochen Sommerferien. Was für eine wertvolle Zeit Nicht wegen der Super-Luxusreise, die man da machen kann.
Die Urlaubszeit ist so wertvoll, weil endlich Zeit da ist, in Hülle und Fülle. Wer Urlaub hat, kann Zeit verschwenden. Jeden Tag lang. Die Seele baumeln lassen. Offen sein für das, was der Tag bringt. „Alles hat seine Zeit", heißt es in der Bibel. Auch das Zeit-Verschwenden hat seine Zeit.
Heute bin ich der berufstätige Papa.
Mit vielen Terminen rund um die Uhr. Und das ist auch gut so. Denn ohne Arbeit wäre ich nicht zufrieden und könnte meinen Kindern vieles nicht ermöglichen.
Aber jetzt beginnt die Zeit, in der wir vieles miteinander machen können. In der haben meine Kinder mich die ganze Zeit nur für sich.
Jetzt, jetzt ist Urlaubszeit. Zeit in Hülle und Fülle.
Verschwenden Sie sie. Am besten mit den Menschen, die zu Ihnen gehören.

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