SWR2 Wort zum Tag

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Immer noch sprudelt das Öl im Golf von Mexiko. Nun schon seit über zwei Monaten. Und fast täglich können wir hören, dass alles noch viel schlimmer als befürchtet ist. Je nach Schätzung geht man heute davon aus, dass bisher im schlimmsten Falle fast 400 Millionen Liter Öl in das Meer vor der Südküste der USA geströmt ist. Und der Strom ist noch lange nicht versiegt. Die Folgen können wir jetzt schon sehen: ein riesiger Ölteppich auf dem Meer, Tiere, die verenden, verseuchte Küstenabschnitte, verzweifelte Fischer. Daneben ist die Ölkatastrophe natürlich auch eine grandiose Verschwendung von Ressourcen. Zugleich halte ich das Desaster um das Öl im Golf von Mexiko auch für einen deutlichen Fingerzeig auf die Probleme unserer Gesellschaft.
Die grenzenlose Gier nach Öl treibt die Konzerne offenkundig in immer problematischere Regionen. Bohrungen in der Tiefsee oder anderen unwirtlichen Gegenden sprechen eine deutliche Sprache. Immer wird in Kauf genommen, dass kleine Fehler unkontrollierbare Auswirkungen haben. In der Theologischen Ethik gibt es allerdings eine wichtige Regel, wenn eine Entscheidung getroffen werden soll. Die Problemlösungsregel. Sie lautet: Man darf Probleme nicht so lösen, dass die Probleme, die durch diese Lösung entstehen, größer sind, als die Probleme, die gelöst werden. Das lässt sich so übersetzen: Es ist falsch, ein Problem zu lösen und sich dadurch viele andere aufzuhalsen. Genau das passiert aber offensichtlich durch die Förderung von Öl in der Tiefsee. Allerdings wird dieses Öl ja auch nicht aus reiner Willkür gefördert. Wir alle, gerade die hochentwickelten Länder, aber auch Länder wie Indien oder China verbrauchen in einer unglaublichen Geschwindigkeit unglaubliche Mengen Öl. Die Ölpest im Golf von Mexiko stellt also uns erneut vor die Frage: Wie wollen wir leben - und welche Risiken sollen wir dafür in Kauf nehmen?
Die Frage klingt rhetorisch. Gerade aus der Perspektive des Glaubens. Natürlich liegt das Heil der Welt nicht im Öl. Natürlich gibt es wichtigeres als Fortschritt und Wachstum. Natürlich ist die Ausbeutung der Natur - mit allen ihren Folgen auch für den Mensch - falsch. Wir sind von Gott mit der Gabe der Verantwortung begabt. Und müssen sie nutzen. Was mich aber bedrückt ist, dass ich trotzdem Teil dieser Welt bin, die immer noch am Öl hängt. Auch ich fahre Auto, auch ich benutze Plastik, das mit Erdöl hergestellt wird. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko ist so nicht mehr weit weg, sondern ganz nah. Weil sie an mich die Frage stellt: Was tust du, damit die Ölförderung in der Tiefsee oder woanders nicht nötig ist?

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