SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Die Sache mit Gott fällt mir manchmal ganz schön schwer. Ich bin unsicher, was ich glauben kann und was vielleicht doch nur Sehnsucht und Hoffnung ist. Bin unsicher, ob dieser Gott wirklich so ist, wie ich ihn mir vorstelle oder erträume.
Für diese Unsicherheit ist mir mit den Jahren die Geschichte Jakobs aus dem Alten Testament ein guter Begleiter geworden. Dieser Jakob hat eine ungewöhnliche Biographie. Er betrügt seinen eigenen Bruder, haut von zu Hause ab, wird selbst betrogen. Geheimnisvoll und spannend ist eine nächtliche Begegnung. Jakob trifft an einem Fluss auf einen Mann. Der will ihn nicht weitergehen lassen. Und Jakob lässt sich auf einen Ringkampf ein. Es wird keine kurze Prügelei. Jakob und der fremde Mann ringen bis zum Morgen. Und sie ringen so intensiv, dass Jakob die Hüfte verenkt wird. Ein merkwürdiges Ende eines denkwürdigen Kampfes. Der Text lässt offen, wer der Ringkämpfer ist. Ist es ein Engel? Ist es Gott selbst? Ich finde wichtig, dass dieser Kampf in der Nacht stattfindet. Die Nacht ist die Zeit der Entscheidungen, des Alleinseins, aber auch des Überlebens. In der Nacht entscheidet sich, wie der nächste Tag weitergeht. Und dass wir in der Nacht um etwas ringen, einen Entschluss fassen, das kenne ich.
Für Jakob ist klar: Er ist Gott begegnet und hat mit ihm gekämpft. Gott begegnen, so deute ich diese Geschichte, das heißt, mit ihm zu ringen. Wer sich auf Gott einlässt, den erwartet kein Zuckerschlecken, dem geht's nicht einfach so gut, der hat nicht ausgesorgt. Und gibt es nicht genügend Grund, mit Gott zu ringen: Um das Leben eines geliebten Menschen, dass er nicht stirbt, dass er einen Ausweg aus seiner Ehekrise findet, dass er nicht an seinem Stress und seiner Belastung zu Grunde geht? Und ist es nicht da nötig, Gott festzuhalten, mit ihm zu ringen und ihn zu nötigen? „Ich lasse dich nur los, wenn du mich segnest." Sagt Jakob. Und er meint: Verzieh dich nicht, wenn ich dich brauche, versteck dich nicht hinter deinen Verheißungen und Versprechungen. Jetzt brauche ich dich, nicht irgendwann. Jetzt, hier, da, wo ich lebe, wo Menschen leben, die ich liebe.
Die Geschichte von Jakob erzählt mir: der Glaube und der Kampf um diesen Glauben gehören zusammen. Es ist ein Kampf, der den ganzen Menschen fordern kann.

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