Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Das macht mer nischt, wo Kinder sind." So tadelte mich eine ältere Dame an der Fußgängerampel. Sie stand mit ihren beiden Enkelkindern geduldig am Straßenrand, während ich bei „Rot" schnell zwischen zwei Autos über die Straße rannte.
Ich war beschämt. Die Frau hatte natürlich recht. Es war nicht nur falsch und gefährlich, was ich tat, es war auch ein schlechtes Beispiel für die Kinder. Und nicht nur für Kinder ist es lebenswichtig, sich vorsichtig und korrekt im Straßenverkehr zu verhalten. Und das richtige Verhalten können sie nur von Erwachsenen lernen, die früh und verlässlich vormachen, worauf es ankommt.
Das gilt nicht nur für den Straßenverkehr: Alles, was Kinder in frühen Jahren beigebracht oder zugefügt wird, kann sie für ihr ganzes Leben prägen. Das gilt insbesondere für negative Beispiele und Erfahrungen. Vielleicht findet Jesus deshalb so harte Worte für Menschen, die die Kleinen zum Bösen verführen, eigene Überlegenheit ausnutzen und kindliches Vertrauen missbrauchen. Sein Urteil: Solche Menschen sollten besser mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt werden. Er macht hier selbstverständlich keinen Vorschlag für das Strafgesetzbuch. Aber er betont die große Verantwortung der Erwachsenen für die Kinder, ja überhaupt der Überlegenen für die Schwachen und Ratlosen, für die Vertrauensvollen und Verführbaren. Die Diskussionen in den vergangenen Monaten über Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlungen haben in überdeutlicher Schärfe vor Augen geführt, wie groß diese Verantwortung ist. Das trifft in erster Linie die Täter, aber auch diejenigen, die unbedacht Dinge geschehen lassen oder gedankenlos Kindern ein falsches Bild vermitteln. Um im Bild zu bleiben: Wer vor Kindern bei Rot über die Fußgängerampel geht, will sie nicht zu verkehrswidrigem Verhalten anstiften. Er vermittelt aber den Eindruck, es komme nicht auf die Verkehrsregeln an. Die Folgen können für Kinder fatal sein. Ebenso schwerwiegend kann z.B. sein, wenn Erwachsene den Eindruck erwecken, Kindern zugefügtes Leid oder ihre Not seien der Rede nicht wert. Kinder lernen so, ihre Sorgen gering zu achten und zu verheimlichen. Sie werden im entscheidenden Moment auch nicht Erwachsene um Hilfe bitten. Ganz anders prägen Erwachsene, die Kinder ernst nehmen in ihren kindlichen Nöten und sie ermuntern, ihre Sorgen mitzuteilen. Die Verantwortung gegenüber Kindern verlangt ein erwachsenes Beispiel, an dem Kinder sich verlässlich orientieren und auf das sie im Ernstfall setzen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8565
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