SWR3 Gedanken

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Von allem, was Horst Köhler in seiner Zeit als Bundespräsident getan hat, wird eines ganz sicher in Erinnerung bleiben: sein Rücktritt. Wegen einer umstrittenen Äußerung zum Afghanistan-Einsatz öffentlich in die Kritik geraten, hat er nach Meinung vieler viel zu früh das Handtuch geworfen. Hat sich als dünnhäutig erwiesen, wo ein dickeres Fell gut gewesen wäre.
Ein dickes Fell zu haben, kann im Leben oft sehr nützlich sein. Damit man sich Ärger, Frust, Hohn oder Spott nicht so sehr zu Herzen nimmt. Aber diese Erfahrung teile ich mit Horst Köhler: Gerade dann, wenn man das dickste Fell bräuchte, ist die Haut oft besonders dünn. Und dann?
Dann kann ich meine dünne Haut zeigen. Und darauf hoffen, dass andere dafür Verständnis haben. Hätte man vielleicht sogar auch bei Horst Köhler gehabt. Aber eine dünne Haut zeigen und das Handtuch werfen, sind zwei verschiedene Dinge. Allzumal bei einem Bundespräsidenten. Der eben nicht der Horst von nebenan ist, sondern für viele Menschen ein Vorbild.
Von einem Vorbild erwarte ich, dass es Gefühle hat und Gefühle zeigt. Einen skrupellosen und komplett dickfelligen Bundespräsidenten braucht ja schließlich auch keiner. Aber von einem vorbildlichen Menschen erwarte ich auch, dass er mit diesen Gefühlen umgehen kann. Und dass er anderen Menschen zeigt, wie das geht.
Dass man Kritik aushält und sich ihr stellt. Dass man Niederlagen einsteckt und trotzdem weitermacht. Dass man zu Fehlern steht, wenn man sie denn gemacht hat. Dass die eigenen Befindlichkeiten in den Hintergrund treten, wenn anderes wichtiger ist. Und im Falle Köhler wäre es wichtig gewesen, bei der Stange zu bleiben. In einem Land, in dem schon viel zu viele am liebsten den Bettel hinschmeißen würden.
Der Bundespräsident Horst Köhler ist Geschichte. Heute wählt die Bundesversammlung seinen Nachfolger. Und auch wenn ich nicht wählen darf, will ich doch hoffen. Auf einen Präsidenten, der vieles aushalten kann, wenn es um seine Person geht. Und der zugleich nicht alles aushalten will. Wenn es um die Menschen geht, für die er Präsident ist.

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