Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Er hatte alles gegeben. Er hatte sich völlig verausgabt. Und doch erschienen ihm jetzt alle Anstrengungen umsonst. Der Apostel Paulus hatte das, was man heute wohl einen Durchhänger nennt. Er zweifelte an sich selbst. Tausende von Kilometern hatte er zu Fuß zurückgelegt, unvorstellbare Strapazen auf sich genommen, und das, obwohl er nicht ganz gesund war. Doch wo auch immer er auftrat: es gab Streit und heftige Auseinandersetzungen. Mehrfach wurde er verprügelt, einige Male sogar verhaftet und wegen Störung der öffentlichen Ordnung ins Gefängnis geworfen. Seine Gegner machten sich über ihn lustig, weil er kein so guter Redner war. Paulus widerfuhr das, was engagierte Menschen sehr gut kennen: sie gehen bis an ihre Grenzen und sehen trotzdem keinen Erfolg. Viele kennen solche Erfahrungen aus der Berufswelt. Man strengt sich an, man rackert sich ab, um dann zu hören: Du bist raus. Nicht wegen schlechter Leistungen. Sondern einfach deshalb, weil es die Gesetze des Marktes so verlangen. Mancher neigt dann dazu, den Misserfolg als ganz persönliches Versagen zu betrachten. Selbst wenn das gar nicht stimmt. Aber man muss sich in einer Situation der Erfolglosigkeit nicht auch noch selbst fertig machen. Das kann man an Paulus sehen. Zwar gerät der Apostel in eine Krise. Doch gerade als er meint, der Boden würde unter seinen Füßen weg brechen, spürt er, dass er von Gott getragen wird. Paulus fasst diese paradoxe Erfahrung in dem wunderbaren Satz zusammen: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark." Als er sich an nichts mehr festhalten kann, ist es Gott, der ihn festhält. Paulus muss seine Stärke nicht mehr an seinen Erfolgen fest machen. Auch die Angriffe und Demütigungen seiner Gegner können ihn nicht mehr umhauen. Denn Gott, so erlebt es Paulus, steht vorbehaltlos hinter ihm. So wachsen ihm ausgerechnet in der Schwachheit ungeahnte Kräfte zu. Manchmal sind es eben gerade die Rückschläge und Misserfolge, in denen Menschen erfahren, was sie wirklich trägt.

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