SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Als Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens, so schrieb Immanuel Kant, habe der Himmel den Menschen drei Dinge gegeben: die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen.
Drei sehr unterschiedliche Himmelsgaben sind das, die allerdings eine Gemeinsamkeit haben: sie lassen sich nicht selber machen.
Die Erfahrung lehrt: wer mit aller Kraft einzuschlafen versucht, wird überhaupt nicht einschlafen. Wer sich zwingt zu lachen, dessen Lachen wirkt künstlich oder verkrampft. Und auch die Hoffnung können wir uns letztlich nicht selber ausdenken, täten wir es, wir landeten nur bei unseren eigenen Wunschträumen.
Darum spricht Immanuel Kant wohl von Himmelsgaben, weil uns in der Hoffnung, im Schlaf und im Lachen etwas begegnet, das unserem eigenen Einfluss weitgehend entzogen ist. Es berührt uns etwas aus einer anderen Welt.
Zunächst der Schlaf. Im Schlaf haben wir eine Empfänglichkeit für Dinge, die uns im Wachzustand verwehrt ist. Auf der Grenze zwischen Schlaf und Wachsein, im Zwischenzustand des Eindämmerns oder Wachwerden, fallen mir manchmal unglaubliche Lösungen ein. Da besteht eine Sensibilität, die dem taghellen Verstand nicht gegeben ist. „Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf", steht in der Bibel. In der Tat - schlafend löst sich manches Problem. Gut ausgeschlafen, fühlen wir uns „wie neugeboren"!
Dann das Lachen. Im Alten Testament muss Gott lachen, als er sieht, wie Menschen sich immer wieder selbst groß zu machen versuchen. Wenn er immer wieder erleben muss, dass Menschen ihre eigenen Grenzen nicht kennen. „Aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer", heißt es einmal in den Psalmen.
Lachen, wenn es echt ist, das lerne ich daraus, heißt also Abstand nehmen und die Dinge aus der Perspektive des Himmels betrachten. Wenn ich lachen kann, dann ist der Bann gebrochen, der nach mir greift und mich gefangen nehmen will.
Zuletzt: Die Hoffnung. Auch sie wächst nicht aus mir selber. Hoffnung besteht aus einer Kraft, die von außen kommt. Sie ist die Hand, die mir jemand reicht, wenn meine Kräfte erschöpft sind. Eine solche Hoffnung kann ich mir nicht ausdenken. Sie ist viel größer als ich es bin. Aber in ihr wohnt eine Kraft, die Tote auferstehen lässt.
Diese himmlischen Gegengewichte gegen den Alltag wünsche ich uns heute Morgen. Ein Stückchen Rekreation, Neuschöpfung, im Alltag. Immer dann, wenn wir schlafen, wenn wir lachen und wenn wir hoffen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8486
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