SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Das ist nicht himmlisch!", hat einer meiner Schüler in seiner Reliarbeit geschrieben und ein dickes Ausrufezeichen dahintergesetzt. Es ging um das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg - die Geschichte, in der alle am Ende denselben Lohn bekommen, obwohl manche lange, andere nur sehr kurz gearbeitet haben. Und ich hatte gefragt, was daran himmlisch sein könnte, wo doch Jesus diese Geschichten erzählt, um zu zeigen, wie es bei Gott zugeht.
Die Tatsache, dass am Ende alle so viel haben wie sie zum Leben brauchen, hat den Jungen nicht beeindruckt. Dass alle gleich viel bekommen, egal, wie lange sie gearbeitet haben, das ist nicht himmlisch, fand er. Das ist ungerecht.
Mit ist in dem Moment noch einmal neu deutlich geworden, welche Provokation in diesen biblischen Geschichten steckt. Einer bemüht sich nur ein Stündchen und kann genauso von seinem Lohn leben wie derjenige, der den ganzen Tag schuftet. Oder, in einem anderen Gleichnis: Der Sohn, der abgehauen ist und sein Erbe verschleudert hat, wird bei seiner Rückkehr vom Vater mit einem großen Fest empfangen. Der tüchtige Bruder, der zu Hause den Betrieb zusammengehalten hat, bekommt kein Extralob.
Das geht uns Bemühten gegen den Strich. Warum, lautet die folgerichtige Frage, soll ich mich dann noch anstrengen? Das ist nicht himmlisch!
Oder doch? Leistung muss sich lohnen, sagen Politiker, wenn sie erklären wollen, warum sich der Staat nicht verhalten kann wie der liebe Gott.
Leistung muss sich lohnen. Das stimmt schon. Die Frage ist nur: Was ist der Lohn? Ist der Lohn, dass ich mehr bekomme als andere? Dass ich eine teurere Urlaubsreise buchen kann als die Nachbarin? Dass ich die besseren Kontakte habe, mehr Anerkennung bekomme?
Oder reicht es nicht auch, dass ich genug habe? Dass ich anerkannt werde und Kontakte knüpfen kann. Und dass ich fair bezahlt werde - so, wie es im Vertrag festgelegt ist und so, dass ich davon leben kann. Und wenn ich mir dann auch noch ab und zu einen schönen Urlaub leisten kann, umso besser. Wie der sich preislich zu dem der Nachbarin verhält - was soll's...
„Ihr habt bekommen, was ausgemacht war", sagt der Weinbergbesitzer zu den empörten Fleißigen. „Du warst immer bei mir, alles, was mein ist, ist dein", erklärt der Vater dem enttäuschten Sohn. Ich glaube, das heißt: Schau auf dein eigenes Leben. Freu dich an dem, was du hast und was dir gelingt. Und lass es dir nicht verderben, indem du dauernd vergleichst. Und wenn es anderen auch gut geht - das kann doch nichts schaden.
Das Leben so zu sehen - ich glaube, das wäre doch himmlisch!

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