SWR2 Wort zum Tag

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Wer heute ins Krankenhaus muss, sollte lieber nicht zu krank sein - oder aufopferungsvolle Angehörige haben. „Ich konnte da eigentlich gar nicht weg. Sonst hätte der sein Essen nie bekommen", erzählt erschöpft die Ehefrau über den Krankenhausaufenthalt ihres gebrechlichen Mannes. „Die Schwestern haben sich schon bemüht - aber sie waren einfach völlig überlastet."
Dass solche Erfahrungen, wie ich sie letzter Zeit häufiger gehört habe, keine Einzelfälle sind, hat vor kurzem eine wissenschaftliche Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung bestätigt. Achtzig Prozent der Pflegekräfte haben da beklagt, dass sie angesichts der derzeitigen Personalsituation Mängel bei der Versorgung verwirrter, gebrechlicher oder schwer kranker Patienten nicht ausschließen können. Für die Familien bedeutet das eine Belastungsprobe - und für Menschen ohne Angehörige ein echtes Risiko.
Was zu tun ist, ist eigentlich schon lange klar. Mehr Pflegekräfte ausbilden, mehr Pflegekräfte einstellen, sie angemessen bezahlen und die Arbeitsbedingungen verbessern. Aber das hat in unserer Gesellschaft angesichts knapper Kassen offensichtlich keine Priorität.
Das ist eigentlich überraschend. Denn schwer krank im Krankenhaus zu liegen, das kann jedem passieren. Und alle möchte in diesem Fall gut versorgt werden. Warum meinen wir dann, dass wir da sparen können?
Ich glaube, das hängt mit einer grundsätzlichen Lebenseinstellung zusammen. Der Gedanken an Krankheit und Hilfsbedürftigkeit ist vielen Menschen unangenehm. Mir auch. Wenn ich mal so krank bin, dann ist sowieso nicht mehr viel mit mir los, denke ich dann manchmal. Und gebe mein Geld lieber für Dinge aus, die mir angenehm oder zukunftsfähig scheinen. Und ich habe den Eindruck: So ähnlich läuft das auch im politischen Bereich.
Der christliche Glaube steht für eine andere Einstellung zum Thema Krankheit und Schwachheit. Der Apostel Paulus zum Beispiel, ein Machertyp, aber von kränklicher Natur, betet um bessere Leistungsfähigkeit. Die Bitte wird abschlägig beschieden. „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig", muss er sich von Christus sagen lassen. [Und wirklich passiert ja das für Christen entscheidende Ereignis nicht durch einen mutigen Revolutionär, sondern durch einen hilflosen, sterbenden Menschen.]
Für mich ist das eine Ermutigung, mich den Phasen von Schwäche und Hilfsbedürftigkeit in meinem eigenen Leben zu stellen. Sie als wichtigen Teil des Ganzen anzusehen, die ihren eigenen Sinn und Wert haben. Und mich mit meinen Mitteln dafür einzusetzen, dass in unserer Gesellschaft nicht daran gespart wird, auch diese Zeiten lebenswert zu gestalten - zum Beispiel durch gute Pflege.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8474
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