SWR3 Gedanken

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Eigentlich ist meine 11-jährige Nichte eine typische Einser- und Zweier-Kandidatin. Aber jetzt kommt sie mit ihrer ersten Fünf nach Hause. Ausgerechnet in ihrem Lieblingsfach Französisch Schon an der Haustür fängt sie an zu weinen. Alle Beruhigungsversuche nützen nichts. Für sie bricht eine Welt zusammen. Eine Fünf! In der Schule steht die für eine mangelhafte Leistung. Damit lässt es sich schlecht leben, wenn ansonsten alles glatt läuft.
Vielen geht's ganz ähnlich. Da lebt jemand konsequent gesund, treibt Sport und ist auch sonst ein ausgeglichener Mensch. Und dann bekommt er von jetzt auf gleich die Diagnose: unheilbare Krankheit. Da hat er alles getan, hat sehr diszipliniert gelebt und dann so was. Eine brutale „Fünf".
Oder die Angestellte einer Firma, in der sie schon ihre Ausbildung gemacht hat. Sie hat sich durch ihre freundliche Art und ihre Leistung Achtung und Anerkennung bei Kolleginnen und Vorgesetzen erworben. Und dann auf einmal die Kündigung. Die Zeiten seien eben schwierig und Umstrukturierungen notwendig. Auch so eine „Fünf", mit der eine Welt zusammenbricht.
Mir helfen da keine Vertröstungen von wegen: Niederlagen gehören zum Leben dazu. Aber wenn jemand bei mir bleibt und mich nicht allein lässt mit meiner fünf. Das hilft mir. Wenn mir jemand sagt: du bist doch mehr wert als eine „Fünf". Wer du bist, hängt nicht davon ab, was du leistest. Du bist wer, weil du geliebt bist. Ein geliebter Mensch. Gottes geliebtes Kind. Diese Liebe macht deinen Wert aus.
Meine Nichte konnte ich schließlich doch noch trösten. Ich hab ihr einfach meine rechte Hand hingehalten und hab zu ihr gesagt:
Give me five- Komm, gib mir die Fünf! Da musste sie lachen, schlug ihre Hand ein und sagte: ok, ich geb dir die fünf.

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