SWR2 Wort zum Tag

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Wer sein Glück machen will, muss nach Amerika! Bei einem längeren Studienaufenthalt in den letzten Monaten dort habe ich in den Kirchengemeinden immer wieder Menschen getroffen, die aus Deutschland stammten: Wissenschaftlerinnen, Ärzte, Ingenieure, Lehrerinnen. Was oft zunächst auf kurze Zeit gedacht war, wurde bei manchen zu einem endgültigen Schritt.

Der Mythos einer Neuen Welt, in der man sein Glück machen kann, wenn man nur tüchtig und stark ist, ist dort immer noch lebendig. Der Traum vom Wohlstand und davon, dass jeder seines Glückes Schmied sei, dass jeder durch harte Arbeit seinen Besitz mehren und sein Leben verbessern könne, bewegt auch heute noch viele.

An der Brandeis University, an der ich eine Zeitlang war, gibt es ein sozialwissenschaftliches Institut, das sich mit diesen Fragen besonders auseinandersetzt: Wie ist die multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft in den USA organisiert? Wie sind die Lebenslagen der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen? Über wie viel Einfluss, Vermögen, politische und wirtschaftliche Macht verfügen sie und wie kann ihre Beteiligung an der gesellschaftlichen Entwicklung organisiert werden? Dort wird wissenschaftlich nachgewiesen und begründet, was vielen Kirchengemeinden längst klar ist, und was sie in vielen praktischen Schritten zu tun versuchen: dass es nicht nur christlich geboten, sondern gesellschaftlich notwendig ist, sich für ein gerechtes und ausgeglichenes Miteinander zu engagieren.

Dieses Institut hat vor wenigen Tagen eine Untersuchung herausgegeben, die für reichlich Aufruhr in der amerikanischen Öffentlichkeit gesorgt hat und es sogar bis in die Schlagzeilen hier in Deutschland schaffte, denn sie zeigt: Den „American Dream", den Traum von Wohlstand und Glück, gibt es in der Hauptsache noch immer nur für Weiße. Untersucht wurde das Einkommen und Vermögen von weißen und schwarzen amerikanischen Durchschnittsfamilien in den letzten fünfundzwanzig Jahren mit dem Ergebnis: Afroamerikanische Familien besitzen gerade einmal zehn Cent jedes Dollars, über den durchschnittliche weiße Familien verfügen. Das hat einerseits mit der Geschichte der schwarzen Bevölkerung bis in die sechziger Jahre zu tun, als es ihnen per Gesetz verboten und später wegen der Widerstände der weißen Bevölkerung kaum möglich war, eigene Geschäfte zu eröffnen und faire Kredite aufzunehmen. Und andererseits ist es bis heute so, dass Nicht-Weiße in den USA oft doppelt so teure Hypotheken aufnehmen oder entsprechend mehr Zinsen bei Krediten bezahlen müssen. Mit so viel schlechteren Startvoraussetzungen ist keine Gerechtigkeit möglich.

Der Traum vom Glück aber lässt sich nur träumen, wo Gerechtigkeit ist. Dafür kann Kirche eintreten, auch hier.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8412
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