SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

  Es klingt wie ein skurriles Ritual. Da spuckt jemand auf die Erde, mischt aus Staub und Speichel einen Teig und schmiert ihn einem anderen auf die Augenlider. Die Szene, bei deren Vorstellung sich mancher schütteln mag, steht so in der Bibel. Immerhin, dort hat sie durchschlagenden Erfolg. Der Mensch, dem dies widerfährt, ist nämlich blind und kann danach wieder sehen. Sie ist eine von zahlreichen Geschichten der Bibel, in denen Jesus erblindete Menschen wieder sehend macht - durchaus übrigens auch auf weniger skurrile Weise. Geschichten, die meistens etwas sehr Konkretes schildern und doch dem Zuhörer auch zwischen den Zeilen etwas sagen wollen. Zum Beispiel: Mach selber erst mal die Augen auf, mit denen du alles so deutlich zu sehen meinst. Viel Wichtiges nimmst du nämlich gar nicht wahr: Wie es deinem Gegenüber gerade geht, etwa. In welchem Tonfall er dir etwas sagt. Was er vielleicht gerade jetzt von dir braucht.
Seit 12 Jahren feiern die beiden großen Kirchen in Deutschland den Sehbehindertentag, der dieses Jahr auf den heutigen Sonntag fällt. Sie wollen damit auf die besonderen Bedürfnisse sehbehinderter Menschen aufmerksam machen, die über diesen wichtigen Sinn eben nicht oder nur eingeschränkt verfügen. Menschen freilich, die dafür oftmals ihre anderen Sinne besonders ausgeprägt und geschärft haben. Die Fähigkeit, genau zu Hören etwa, oder zu fühlen. Fähigkeiten, bei denen viele vermeintlich Sehende durchaus Nachholbedarf haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8404
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