SWR2 Wort zum Tag

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Gott kann man nicht malen. Erst recht soll man ihn nicht darstellen - heißt es. Dabei enthält die Bibel selbst eine Fülle sprachlicher Bilder für Gott: vom Vater ist die Rede, aber auch von der Mutter, die einen tröstet; vom Hirten, vom Weingärtner, vom König. Viel Stoff für eine Galerie von Gemälden!
Freilich steht in der Bibel auch: „Du sollst dir kein Bildnis von Gott machen." Das Verbot hat sein Recht. Unbestritten! Schließlich gibt es Bilder, die irreführend sind. Die Allerweltsvorstellung vom senilen Greis mit weißem Rauschebart ist nichts als eine schlechte Karikatur.
Doch ohne Bilder droht uns Gott fremd zu werden. Dann wird Gott zu einer abstrakten Macht, zu einem blinden Schicksal, zu einer Weltformel, und die biblischen Bilder, die eine Vertrautheit mit Gott zum Ausdruck bringen, verschwinden.
Wenn uns das Bilderverbot Gott zu einer tabula rasa macht, haben wir es missverstanden. Genau genommen verbietet es nicht, Bilder zu haben. Es warnt aber davor, an diesen Bildern zu hängen, sie selbst für Gott zu halten. Denn Bilder legen auch fest, legen Gott fest. Biblisch heißt das: wir sollen sie nicht anbeten.
Die Vielzahl biblischer Bilder von Gott hat übrigens ein Gefälle. Es gibt eine Norm, an der sich alle christlichen Bilder ausrichten lassen müssen. Im Neuen Testament trägt Gott das Gesicht eines einfachen Menschen: Jesus von Nazareth. Und vom Menschen Jesus, der lebte, predigte und heilte, der litt und starb - und der zu neuem Leben in einer anderen Dimension auferweckt wurde und darin als Christus, als Messias erkannt wurde, heißt es: Er ist das wahre Abbild Gottes.
Gott hat ein Gesicht - ein menschliches Gesicht. Er ist so wie Jesus. Oder umgekehrt: Wenn ich wissen will, wie Gott ist, muss ich mir diesen Jesus näher anschauen. Jesus - das ist eigentlich Gott in menschlicher Gestalt. Er hat Menschen, die körperlich oder seelisch krank waren, geheilt. Er hat denjenigen, die zum „Abschaum" gehörten, Zeit geschenkt und ihnen Lebensmut zugesprochen. Und er hat unendlich viele befreit von dem Wahn, perfekt sein zu müssen.
Wenn ich Gott sehen will, muss ich mir Jesus anschauen. Dann erfahre ich etwas über Gott. Dann bekommt die Rede von Gott ein menschliches Gesicht, und sein Wesen, das Liebe ist, wird menschlich entfaltet. In Jesu Antlitz ist es hineingemalt.

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