SWR3 Gedanken

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Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ein Satz aus der Bibel. Oft benutzt als Beispiel für unbarmherzige Brutalität. Dabei meint er genau das Gegenteil. Nicht durch blindwütige Rache soll erlittenes Unrecht gesühnt werden, sondern ausschließlich durch eine der Tat entsprechende Strafe. Ein Auge eben für ein verletztes Auge, ein Zahn für einen ausgeschlagenen Zahn. Der Satz ist also nicht mehr als der Versuch einer frühen Rechtsordnung. Darin aber liegt ein Problem, das uns bis heute umtreibt: Wie kann ein Verbrechen angemessen gesühnt werden? Wann ist eine Schuld beglichen?
Kein Wunder eigentlich, dass sich diese Frage ausgerechnet an der Freilassung ehemaliger Terroristen entzündet hat. Menschen also, die aus wirren Motiven und in voller Absicht das Leben Anderer zerstört haben. Wann auch so ein Verbrechen hinreichend gesühnt ist, legt unser Strafrecht unmissverständlich fest. Doch warum dann die Diskussion, die unsäglichen Talkshowdebatten? Warum das Beharren auf einem Wort des Bedauerns, der Entschuldigung vor den Opfern? Vielleicht, weil viele von uns nicht glauben können, dass mit dem Ende der Strafe auch die Schuld vergeben ist? Vergebung aber ist ein Geschenk, auf das ein Täter nur hoffen, um das er bitten kann. Vor allem eines, das ihm ausschließlich das Opfer gewähren kann - und Gott. Ein Anrecht darauf gibt es nicht. Gott zumindest ist nach dem Wortlaut der Bibel zur Vergebung selbst der größten Schuld bereit. Vorausgesetzt freilich, dass der Betreffende dieses Geschenk überhaupt annehmen will. Als Christen nennen wir das dann: Umkehr. Das aber ist etwas, das der Täter tatsächlich allein mit Gott ausmachen muss.

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