SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Das Leben muss doch mehr sein als schlafen, essen und arbeiten. Danach haben sich die Jünger gesehnt. Mit dieser Sehnsucht sind sie zu Jesus gekommen. Und Jesus hat sie nicht enttäuscht.  Drei Jahre haben sie mit ihm verbracht. Und in dieser Zeit haben sie ganz besondere Momente erlebt. Da ist ihnen Gott so nahe gekommen wie ein guter Vater. Und sie haben miteinander gelebt wie Schwestern und Brüder. In diesen Momenten haben sie gespürt: genau so wollen wir leben.

Aber dann ist Jesus gestorben und alles war vorbei. Scheinbar jedenfalls. Aber die Sehnsucht, die ließ sie nicht los. Und so gingen sie am Ostermorgen voller Hoffnung zum Grab. Und wieder hat sie Jesus nicht enttäuscht. Auf  einmal stand er ihnen gegenüber, sie haben ihn gesehen und gehört. wie er zu ihnen gesagt hat: „Geht in die ganze Welt und sagt es allen weiter, dass ich lebe." Das ist ihnen nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Und so blieben sie zusammen. Voller Sehnsucht. Die Geschichte sollte doch weitergehen mit ihnen, mit Jesus,  mit ihrer Gemeinschaft untereinander und mit Gott.

Aber dann passiert-  nichts. 50 Tage lang, nichts. Die Jünger sitzen immer noch in ihrem Haus und nichts passiert. Wie war das noch? „Geht in alle Welt" hat Jesus gesagt. Alle Welt- was für eine große Aufgabe. Viel zu groß für sie, meinen sie. Sie sind wie blockiert. Sie fangen nichts an- mit sich, mit ihrer Zeit und mit ihren Begabungen. Gerade das macht sie müde und mutlos. Und so sitzen sie schlapp und fast kraftlos in ihrem Haus. Ihre Sehnsucht - wo ist sie? Sie ist in den eigenen vier Wänden eingesperrt. Resignation macht sich breit. Sie schauen alle unter sich. Und sie reden nur noch über früher ... und vergessen das Heute und Morgen.

Bis - ja bis einer los geht. Bis einer anfängt zu reden. Petrus fängt an. Er öffnet die Tür. Er geht aus dem Haus und fängt an zu reden. Zunächst zaghaft, aber dann sprudelt es aus ihm heraus. Und er findet Worte für seine Sehnsucht. Diese Sehnsucht nach einem Leben, das mehr ist als Essen und Trinken. Er erzählt von Jesus, von den Erlebnissen mit ihm. Wie er von Gott geredet hat wie von einem Vater. Wie er aus fremden Menschen Schwestern und Brüder gemacht hat. Petrus redet so aufgeregt und begeistert, dass die Leute sagen: der ist doch betrunken. Der ist nicht ganz bei Sinnen.

Trotzdem geht er los. Schritt für Schritt, von Ort zu Ort, von Jerusalem bis nach Rom. Und die anderen Jünger  gehen mit - in die ganze Welt. Später sagen die Leute: der Geist Gottes hat sie gepackt. Das war Gott selbst, der sie bewegt hat. Gottes Geist hat sie aus dem Haus geholt und sie haben sich auf den Weg gemacht. Denn „Gott hat ihnen an Pfingsten keinen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft" (2. Tim 1,7)

Gott hat uns keinen Geist der Furcht gegeben, sondern einen Geist der Kraft" (2. Tim 1,7). Immer wieder erkennen das Menschen, wenn sie sich auf den Weg machen. Gott hat uns einen Geist gegeben, der uns stark macht. Und dieser Geist kann Mauern überwinden. Wie gut!

Da fängt einer an - endlich. So beginnt die Pfingstgeschichte. Da erkennt einer: „Alles, was ich unerledigt liegen lasse, erledigt am Ende mich selbst. Je länger ich die Dinge vor mir her schiebe, desto müder werde ich."

Und dann fängt er an, das zu erledigen, was ihn vorher erledigt hat. Das will ich auch - anfangen im Großen und im Kleinen. Im Kleinen heißt das für mich: endlich meinen Schreibtisch aufräumen. Die Steuerklärung erledigen, den Brief schreiben, den ich versprochen habe. Kurzum: ich fange an, meine to-do Liste abzuarbeiten, statt immer noch etwas dazuzuschreiben. Im Großen heißt das für mich: Mein Leben aufräumen - endlich. Endlich sagen, was ich schon so lange denke. Meine Entscheidung fällen, auch wenn das schwer fällt und vielleicht auch weh tut. Endlich anfangen.

Aber wie geht das? Wie haben das Petrus und die Jünger geschafft? Damals an Pfingsten?

Petrus und die Jünger mussten erst einmal ihre vier Wände verlassen, um in die Welt gehen zu können. Losgehen und loslassen gehören für sie zusammen. Und das gilt auch für mich: ich komme nicht in den Tag, wenn ich nicht das Bett loslasse. Ich komme nicht auf den Weg, wenn ich nicht das Haus loslasse. Ich komme nicht in die Zukunft, wenn ich nicht die Vergangenheit loslasse. Bevor ich anfange, muss ich mit etwas aufhören. Und das ist das Problem: loslassen ist manchmal schwieriger als losgehen, aufhören schwieriger als anfangen.

Wie haben die Jünger das nur geschafft? Waren sie disziplinierter oder bessere Menschen? Das glaube ich nicht. Sie hatten nur eines. Und das haben sie sich nicht ausreden lassen. Ihre Sehnsucht. Auf die kommt es an. Denn Sehnsucht ist wie ein Motor, der alles zum laufen bringt. Petrus und die Jünger haben sich die Sehnsucht nicht ausreden lassen. Das Leben muss doch mehr sein als schlafen, essen und arbeiten.

Und sie haben sich gesagt: Diese Sehnsucht, so stark, so unüberwindlich ist, die kann nur von Gott kommen. Diese Kraft, die kann nur von Gott sein. Die ist ein Stück von seiner Kraft, von seinem Geist. Und Gottes Geist, der hält nicht fest in der Furcht, der gibt Kraft.

Einer geht los - eine fängt an - so beginnt die Pfingstgeschichte. Und das nicht nur an Pfingsten, sondern immer wenn etwas anfängt. Und es fängt so viel an: Der Tag heute, der uns geschenkt ist und die Woche, die vor uns liegt fängt an. Die Lebensmitte oder das Altwerden fängt an. Und Gottes Geist ist da, damit aus all den Anfängen meine Anfänge werden. Ich nicht gelebt werde, sondern lebe. 

Und diesen Geist wünsche ich Ihnen, dass er sie bewegt und Sie anfangen können mit den Aufgaben, die vor Ihnen liegen, mit den Wegen, die notwendig sind, mit den Worten, die gesagt werden müssen. Denn Gott hat uns an Pfingsten „keinen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft" (2. Tim 1,7).

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8343
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