Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Kennen gelernt hatten wir Gerhard vor fast 20 Jahren, im Urlaub auf einem Campingplatz. Da war er schon Rentner und unsere Tochter, damals 2 Jahre alt, adoptierte ihn als Ersatzopa. Letztes Jahr ist er gestorben, mit 83 Jahren. Gesehen haben wir uns in der ganzen Zeit nur noch einmal. Da haben wir ihn besucht, im Ruhrgebiet.  Aber geschrieben hat er, ganz regelmäßig, und ab und zu haben wir telefoniert. In den letzten Jahren schrieb er zunehmend von seinen Krankheiten, die ihm zu schaffen machten. Das hörte sich ziemlich schlimm an und war es wohl auch. Doch sein Gruß am Ende war immer derselbe: „Euer Gerhard, unkaputtbar." Und ich muss ehrlich sagen: ich glaube ihm das, auch heute noch. Diese Worte waren kein Galgenhumor sondern ernst gemeint und kamen aus tiefstem Herzen. Und selbst wenn die Zweifel an ihm nagten, wenn die Fragen kamen, was denn Gott mit dem alten Menschen vor hat und warum all die Krankheiten sein müssen, dann formulierte er das in leichten Tönen, z.B. mit einem Vierzeiler von Heinz Erhard:

„Gott hat die Welt aus Nichts gemacht,
so steht es im Brevier,
nun kommt mir manchmal der Verdacht,
er macht sich nichts aus ihr..."

Und ich bewundere ihn, wie er diesen Verdacht nicht zur Gewissheit werden ließ. Sein Humor half ihm dabei. Mit ihm betrachtete er sein Leben und versöhnte sich immer wieder mit seinem Schicksal. Alles andere spielt keine Rolle mehr. Das machte ihn, trotz Schlaganfall und großen Problemen in der Familie, im wahrsten Sinne des Wortes zum Stehaufmännchen. Er war kein gelehrter oder studierter Mann, aber er hat mir klar gemacht, was  - philosophisch betrachtet - echter Humor ist: die tiefe Einsicht und Weisheit, dass alles auf der Welt eigentlich zweitrangig ist. Wer dann noch seinen Glauben an Gott in die Waagschale legen kann, seinen Glauben, dass dieser Gott die Welt in seinen Händen hält, und ich am Ende mein Leben in diese Hände legen kann, der hat alle Voraussetzungen, sein Leben mit Humor zu gestalten. Denn dann ist dieses Leben, trotz seiner Vergänglichkeit hier auf der Erde, so wie mein Freund Gerhard es ausgedrückt hat, unkaputtbar.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8310
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