SWR3 Gedanken

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Damit ihr Hoffnung habt. Unter diesem Motto endet heute der zweite ökumenische Kirchentag in München. Jessica ist nicht dabei. Mit der Kirche hat Jessica nicht viel am Hut. Mit der Hoffnung allerdings auch nicht.

Jessica hat keinen Schulabschluss. Und das juckt sie nicht die Bohne. Weil ihre große Schwester auch keinen Schulabschluss hat. Dafür hat die große Schwester ein Kind. Das Kind lebt jetzt bei einer Pflegefamilie. Und die kleine Schwester? Die zuckt mit den Achseln.

Jessica zuckt oft mit den Achseln. Schulabschluss. Ist doch egal. Berufsausbildung. Ist doch egal. Verantwortung. Ist doch egal. Und dann schwenkt sie ihr rosa Täschchen aus dem Ein-Euro-Laden und zieht von dannen. In die Zukunft. Die nur eine Hoffnung kennt: Hartz IV.

Damit ihr Hoffnung habt. Jessica ist in unserem Land kein Einzelfall. Viel zu viele Kinder und Jugendliche kennen keine andere Perspektive als Hartz IV. Erstreben nichts anderes als Hartz IV. Weil die Hoffnung auf ein anderes Leben längst abhanden gekommen ist. Nicht erst bei den Jessicas. Sondern schon bei Jessicas Mutter und Jessicas Vater.

Hoffnung ist nichts, was einfach so vom Himmel fällt. Hoffnung kann man lernen. Von Menschen, die Hoffnung haben. Und Hoffnung machen. Auf ein Leben, das mehr ist als Hartz IV. Und rosa Täschchen aus dem Ein-Euro-Laden.

Damit ihr Hoffnung habt. Wenn heute Tausende von Menschen auf der Theresienwiese in München singen und beten und von Hoffnung reden, dann nicht nur für sich selbst. Sondern für eine Welt, die nichts so sehr braucht wie Hoffnung.

Für Jessica, die zwar mit der Kirche nicht viel am Hut hat. Aber Menschen braucht, die etwas von Hoffnung verstehen. Damit Jessica lernt, wie sich Hoffnung anfühlt. Nämlich besser als Achselzucken. Damit Jessica nie mehr sagt: Ist doch egal. Weil ihr Menschen gezeigt haben, dass sie nicht egal ist. Damit Jessica Hoffnung hat.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8277
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