SWR2 Wort zum Tag

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Fasten kann egoistisch sein. Und dann verfehlt es seinen tiefen Sinn. Meint der Prophet Jesaja: "Denkt ihr, mir einen Gefallen zu tun, wenn ihr nur euch selbst quält und nichts esst und trinkt." Mit dieser Frage provoziert Jesaja seine Zeitgenossen - im Namen Gottes. Und liefert die Antwort gleich mit: "Nein, sagt Jesaja - ein Fasten, das Gott gefällt, sieht anders aus: Löst die Fesseln der Menschen, die ihr zu Unrecht gefangen haltet… Gebt den Hungrigen zu essen… Helft, wo ihr könnt, verschließt eure Augen nicht vor den Nöten eurer Mitmenschen!" (Jes 58,5f). Fasten, freiwilliger Verzicht, soll egoistisch sein können?
Vielleicht ist die Diagnose Jesajas doch nicht so abwegig. Und seine Anfrage sehr zeitgemäß. Ich glaube, jeder der in diesen 7 Wochen vor Ostern auf etwas verzichtet, will etwas für sich gewinnen. Das ist bestimmt nicht falsch: Wenn man Freiheit gewinnt, sich von Abhängigkeiten löst. Mehr zu sich selbst findet. Sich Zeit nimmt, über sich nachzudenken. Durch Fasten gesünder lebt. Und wenn ich beim Fasten ein paar Pfunde verliere, ist das doch auch nicht schlecht.
Aber eines ist klar: Diese Verzichtsübungen zielen darauf, das eigene Selbst zu steigern. Und dahin zielt Jesaja mit seiner Gretchenfrage: Wozu dient euer Fasten, wem kommt es zugute? Wenn es nur der Steigerung des eigenen Selbst dient, dann verfehlt es für ihn den Sinn. Freiheit nur für sich selbst, ist Egoismus.
Aus der Freiheit, die das Fasten mir eröffnet, soll stattdessen auch Freiheit für andere wachsen. Gott gefällt ein Fasten, bei dem der eigene Verzicht auch anderen Gewinn bringt. Es kann die Sinne öffnen, die Wahrnehmung für die Not anderer schärfen. Fasten mit positiven sozialen Nebenwirkungen.
Und vielleicht ist das gar nicht so schwer. Beim Auto-Fasten geht es sogar ganz leicht, quasi auto-matisch. Wo jeder Kilometer, den man nicht fährt, Treibhausgase spart.
Aber auch beim Verzicht auf Essen könnte es gelingen. Fasten macht sensibel dafür, dass Nahrungsmittel in Wahrheit Lebens-mittel sind. Beim verzichten spürt man wie wertvoll Essen ist. Das könnte uns auch für den Hunger von Menschen sensibel machen. Dass ich sehe und spüre, wie Menschen dran sind, die nicht freiwillig verzichten, sondern gezwungen. Mit den Worten Jesajas: "Das ist ein Fasten, das Gott gefällt. Verschließt eure Augen nicht vor den Nöten eurer Mitmenschen."
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