SWR3 Gedanken

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Noch feiert die Kirche Ostern. Genau genommen noch vier Wochen lang. Ostern, das Fest des Lebens, das Fest der Rückkehr vom Tod ins Leben. Doch so richtig will sich keine Feierstimmung einstellen in diesem Jahr. Zu tief sitzt nicht nur bei mir die Wut über immer neue Ungeheuerlichkeiten, die Mitarbeiter meiner Katholischen Kirche sich haben zu Schulden kommen lassen. Zu tief das Unverständnis darüber, dass hohe und höchste Vertreter meiner Kirche die Dimension des Problems noch immer nicht zu begreifen scheinen. Nein, es fällt schwer, in diesem Jahr befreit Ostern zu feiern. Meine Kirche, so scheint mir, ist in diesem Jahr eher im Karfreitag, dem Tag der Verunsicherung und der Trauer stecken geblieben.
Dass die Lawine der Enthüllungen kurz vor Ostern ins Rollen kam mag Zufall gewesen sein und doch hat das Datum für mich etwas Symbolisches. Wenn es an all diesen Geschichten überhaupt etwas Positives gibt, dann, dass Menschen endlich, nach Jahrzehnten des Schweigens und des Schämens, darüber sprechen können. Dass sie die seelisch verheerenden Erinnerungen ans Tageslicht bringen können und ihnen endlich zugehört wird, auch von der Kirche. Die Wahrheit wird euch frei machen, heißt ein vielsagender Satz in der Bibel. Zumindest eröffnet sie die Chance zu einem neuen Anfang. Ein hoffentlich neuer Anfang für die Opfer. Aber vielleicht auch ein neuer Anfang für die Kirche. Sehr vieles wird da noch zu klären und offen zu diskutieren sein. Vielleicht ist es dann ja im nächsten Jahr wieder möglich mit mehr und mit echter Freude Ostern zu feiern, das Fest des Lebens.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8155
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