SWR2 Wort zum Tag

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Es gibt Momente, da wird mir definitiv klar, dass ich nicht mehr so ganz jung bin. Neulich zum Beispiel, als meine Tochter mir strahlend ein Pfennigstück unter die Nase gehalten hat: „Schau mal, Mama, ein Cent von früher!" Oder als sich die beiden Mädchen in der Straßenbahn überlegt haben, wie man wohl ohne Handy leben konnte. „Naja, es gab ja schon diese - Scheibentelefone, oder?", meinte eine von ihnen vorsichtig.

Einerseits machen mich solche Momente natürlich nachdenklich: Ich gehöre zu denen, die sich an solch graue Vorzeiten mit Mark und Pfennig und ohne Handy noch ganz lebhaft erinnern können. Also nicht mehr zur jüngsten Generation.

Aber gleichzeitig regt sich in mir auch so etwas wie Stolz. Ja, ich weiß wie man problemlos leben kann ohne mobil zu telefonieren. Ich habe erlebt, wie es sich anfühlt, plötzlich die ersten Scheine einer neuen Währung in Empfang zu nehmen und ich kann erzählen, was es hieß, an der DDR-Grenze kontrolliert zu werden.

Solche Erfahrungen, finde ich, machen einen reich. Und dabei ist das, was ich in meinem Leben in den ruhigen Jahren der Bonner und Berliner Republik bisher erlebt habe, lächerlich wenig, wenn man es mit den Generationen vor mir vergleicht. Der Schatz an Erinnerungen, das ist ein Reichtum, der mit dem Alter wächst. Auch dann noch, wenn manche andere Fähigkeit nachlässt. Ein Reichtum, der dem Alter Würde verleiht, auch dann noch, wenn mancher die Hilfsbedürftigkeit schon als unwürdig empfindet.

Deshalb finde ich es auch wichtig, dass dieser Reichtum an Erfahrungen weitergegeben wird - weil sich daraus vielleicht noch etwas lernen lässt. Oder weil es einfach spannend ist, davon zu hören. Nicht umsonst werden auch in der Bibel Junge und Alte immer wieder ermutigt, miteinander im Gespräch zu bleiben.

Dazu allerdings ist es wichtig, dass die Älteren ehrlich mit ihren Erinnerungen umgehen. Dass sie nicht nur von aufregenden Erlebnissen und großen Taten berichten, sondern auch von Niederlagen, Irrtümern und Fehltritten erzählen - und wie sie damit gelebt haben und was sie daraus gelernt haben. Denn das, finde ich, ist vielleicht der größte Reichtum der Erfahrung. Und wer es wagt, sich dem zu stellen, der kann auch darauf stolz sein.

Ich auf jeden Fall freue mich jetzt schon darüber, dass ich mehr erlebt und erfahren habe als die Jüngeren. Dass ich etwas weitergeben kann. Ich hoffe, ich kann mir diese Freude über den Schatz meiner Erinnerungen bewahren. Vielleicht hilft es mir ja, wenn es wirklich ernst und beschwerlich wird mit dem Altwerden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8153
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