SWR2 Wort zum Tag

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Sich selbst ein Bild machen können - Lukas, sein Vorwort 

Die Bibel kennt vier Evangelien. Gemeinsam ist ihnen das Zeugnis von Jesus Christus, unterschiedlich ist die Art und Weise, wie sie das Leben Jesu Christi erzählen.Einer der vier Evangelisten, Lukas, berichtet im Vorwort seines Evangeliums, mit welchem Ziel er sein Evangelium geschrieben hat. Er schreibt an einen Freund mit Namen Theophilos, einen getauften Christen, der in seiner Gemeinde „in der Lehre über Jesus Christus unterwiesen wurde". Dass Lukas dennoch für diesen Freund auch ein schriftliches Evangelium verfasst hat, und wie er dabei vorgegangen ist, erläutert er so: „Ich bin dem, was sich mit Jesus Christus zugetragen hat, mit großer Sorgfalt und von Anfang an bis hin zur Befragung von Augenzeugen nachgegangen. ... Alles, was ich in Erfahrung bringen konnte, habe ich in die Form einer geordneten Erzählung gebracht, damit du dich von der Zuverlässigkeit des Überlieferten überzeugen kannst."
Theophilos sollte also nicht nur von dem abhängig bleiben, was andere ihm über Jesus Christus sagen. Er sollte, unabhängig von der Qualität dessen, was in den Gemeinden zum Ausdruck gebracht wird, einen eigenen Zugang zur Botschaft Jesu Christi haben. Er sollte sich ein eigenes Bild machen können, das von anderen Gesagte nachprüfen und messen können an dem, was ihm Lukas schriftlich hinterlassen hat.
So geschah es damals in den Anfängen der Kirche, und so ist es bis heute: Zu dem mündlichen, in Gottesdiensten, Unterricht und auch in gelebter Nächstenliebe weitergegebenen Evangelium von Jesus Christus, kommt das schriftliche der Evangelisten hinzu, das jeder selbst in die Hand nehmen kann. Es ermöglicht, dass jede und jeder selber - lesend - in Beziehung zum Text tritt, eine Beziehung, die für jeden Menschen anders aussieht und einzigartig ist. Die Begegnung der lesenden Menschen mit dem geschriebenen Evangelium ist eine Begegnung in Freiheit - keiner kann vorhersehen, was dabei geschieht. Das Leben der Lesenden tritt ja in Dialog mit dem Text. Ihr Leben gewinnt dadurch neue Bedeutung - aber auch der Text offenbart immer wieder eine neue Dimension. So steht die Begegnung mit Jesus Christus jedem offen, unabhängig davon, ob und wie jemand einer Kirche angehört.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8141
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