SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Für jeden Autofahrer ist der Blick auf die Tankanzeige ein automatischer Reflex. Ist noch genug Benzin im Tank? Oder leuchtet schon das rote Lämpchen auf, und mahnt mich, demnächst zu tanken, will ich nicht stehenbleiben?
Auch unsere Seele muss immer wieder auftanken, soll sie nicht leer werden. Es gibt zwar keinen Anzeiger, der aufleuchtet, aber doch Anzeichen, die signalisieren: es ist höchste Zeit! Wenn meine Seele leer ist, fühle ich mich matt und ausgebrannt. Ich zweifle an mir und frage mich, ob das, was ich tue, überhaupt einen Sinn hat. Ich funktioniere vielleicht noch, aber das Leben zieht an mir vorbei. Diese seelische Leere kann sich zu einer Krankheit entwickeln - zu einer Depression - in der man ärztlicher Hilfe bedarf. Dass sich diese Krankheit inzwischen zu einer der großen Volkskrankheiten entwickelt, gibt mir zu denken. Treiben wir zu sehr Raubbau an unserer Seele und kümmern uns zuwenig darum , was sie nährt? Und was könnte der „Kraftstoff" sein, den unsere Seele braucht?
Die Seele ist unser Beziehungsorgan. Wir brauchen ein Du, um zu leben. Menschen, die uns wirklich meinen. Mit denen wir sprechen können, wie es uns ums Herz ist. Wir brauchen Nähe, Geborgenheit und Vertrauen. Und wenigstens von Zeit zu Zeit, muss unserer Seele weit werden können und sich aufschwingen - wenn es geht bis zum Himmel -, dass sie etwas spürt von ihrem Woher und Wohin.
In der alten biblischen Erzählung von der Erschaffung des Menschen heißt es: Gott formte den Adam aus der Erde - auf hebräisch „Adama"  - und blies in seine Nase den Lebensatem. Dieser göttliche Lebensatem erst macht den Menschen lebendig. Einatmen und ausatmen - in diesem Rhythmus vollzieht sich unser Leben. Dabei geht es nicht nur um die Sauerstoffversorgung, sondern darum, in Beziehung zu sein - mit mir selbst, mit der Welt um mich herum, mit anderen Menschen  und mit Gott. Meine Seele kann auftanken, wenn sie in ihren Grundrhythmus einschwingen kann. Wenn sie im langsamen Aus und Ein des Atmens durchlässig wird für den großen Atemstrom - für den göttlichen Geist, der alles mit allem verbindet.
Diese spirituelle Grunderfahrung kann dazu helfen, dass auch in den konkreten menschlichen Beziehungen die Seele mitschwingt. Denn sie ermutigt uns, offen zu werden, wirklich zuzuhören und dem anderen zu vertrauen. Und in solchen Begegnungen kann unsere Seele auftanken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8137
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